1. KAPITEL
Leonora fuhr sich durchs Haar und atmete tief durch. Die Eingangshalle des NilHilton war überfüllt. Ausgerechnet jetzt hatte Leo drei Teilnehmer ihrer Museumsführung aus den Augen verloren. Deshalb hatte sie keine Zeit für ihre Mutter gehabt, die darüber verärgert war. Und jetzt kam ihr auch noch ihre Problemkundin wieder mit einer ihrer wissbegierigen Fragen.
„Wie bitte?“, fragte Leo geistesabwesend.
„Er kommt gerade rein.“ Mrs. Silverstein deutete mit dem Kopf zur Drehtür. „Wer ist der Mann?“
Eine lang gezogene weiße Limousine mit getönten Scheiben, flankiert von zwei dunklen Mercedes, war in den Vorhof gerollt. Männer in grauen Anzügen stiegen aus und nahmen strategische Stellungen ein, während eine Schar Gepäckträger auf die Gruppe zuströmte. Die Türen der Limousine blieben geschlossen. Leo wusste, was das bedeutete.
„Wahrscheinlich jemand von der Königsfamilie.“ An der war sie nicht weiter interessiert. Das von ihrem Vater kürzlich übernommene Reisebüro hatte noch keine königliche Kundschaft. „Das geht mich zum Glück nichts an. Haben Sie die Familie Harris gesehen?“
„Königsfamilie“, wiederholte Mrs. Silverstein verträumt.
Leo lächelte. Sie mochte die alte Dame.
„Ein Wüstenherrscher“, schwärmte Mrs. Silverstein.
„Schon möglich.“
Um der Frau die Illusion nicht zu rauben, behielt Leo für sich, dass der Mann vermutlich in Harvard studiert hatte, mehrere Fremdsprachen beherrschte und die Wüste im klimatisierten Geländewagen durchquerte statt auf dem Kamelrücken. Im Gegensatz zu Leo war Mrs. Silverstein unglaublich romantisch.
„Möchte wissen, wer er ist …“
Den Ton kannte Leo. „Keine Ahnung“, erklärte sie bestimmt.
Mrs. Silverstein warf ihr einen schalkhaften Blick zu. „Sie könnten sich erkundigen.“
Leo lachte schallend. Das erwartete die alte Dame seit drei Wochen immer wieder von ihr.
„Hören sie“, sagte sie geduldig, „ich bin Ihr Laufbursche und tue so manches für Sie. Ich frage Frauen, wie alt sie sind, und Männer, wie viel es kostet, einen Esel zu versorgen. Aber ich denke nicht daran, eine Armee bewaffneter Kerle auszuhorchen, wen sie bewachen. Dann würden sie mich wahrscheinlich verhaften.“
Mrs. Silverstein lächelte verschmitzt. In den drei Wochen, die sie sich nun kannten, hatten sie sich verstehen gelernt. „Feigling.“
„Und jetzt muss ich die Familie Harris suchen.“
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