: Anja Buchmann
: Das fantastische Dutzend Zwölf Fantasykurzgeschichten
: Books on Demand
: 9783738641905
: 1
: CHF 2.40
:
: Science Fiction, Fantasy
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mal märchenhaft, mal postapokalyptisch, bisweilen heiter oder nachdenklich. In dieser Sammlung erwarten den Leser zwölf Kurzgeschichten aus dem breiten Feld der fantastischen Literatur. Mit dem Wind reisen, die Welt nach einer großen Katastrophe erneut besiedeln oder als Monster auf ganzer Linie versagen, alles ist möglich.

Anja Buchmann *1985. Mit großer Leidenschaft schreibt sie Fantasyromane und Kurzgeschichten. Der Wunsch nach schreiberischer Fortentwicklung lässt sie sich immer wieder an neuen Genres versuchen, auch wenn Fantasy den klaren Schwerpunkt der Arbeit darstellt. Einen Überblick über das gesamte Schaffen bieten anjabuchmann.de sowie facebook/AutorinAnjaBuchmann.

DAS FUNKELN DER SEELE


Das wahrlich sehr kurze Kleid ließ mehr von den von Krampfadern durchzogenen Beinen sehen, als jedem Betrachter lieb sein konnte. Und auch die restliche Aufmachung der alten Frau war mehr als fragwürdig. Dass sich ausgerechnet jene Frau, deren Leibesfülle die Inanspruchnahme zweier Straßenbahnsitze nötig machte, köstlich darüber amüsierte, gab der ganzen Szenerie den Anstrich einer Groteske.

Sie als Zeugin des Ganzen konnte darüber nur den Kopf schütteln. Es waren gerade alltägliche Begebenheiten wie diese, die sie den Glauben an die Menschen verlieren ließen. Sie versuchte stets, sich derlei nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, doch dies fiel ihr zunehmend schwer.

Er sah ihre Reaktion, spürte ihre Resignation ob des Verhaltens der Menschen, die sie umgaben. Je länger er sie beobachtete, umso offensichtlicher wurde es: Sie war nicht geschaffen für diese Welt.


Es war ein heißer Tag gewesen und Kayleen war froh, als die abendliche Kühle einsetzte. Sie würde den Tag an ihrem Lieblingsplatz ausklingen lassen, dem etwas verwilderten Dachgarten des Mietshauses, in dem sie wohnte. Sie schien die einzige Bewohnerin zu sein, die diesen Ort regelmäßig aufsuchte, zumindest war sie hier noch nie jemandem begegnet. Dabei war es ein kleines Paradies, ein Stück Natur in der lauten Betonwüste der Stadt. Hier hinauf drang der Lärm der Straße nicht und die Luft erschien ihr frischer und klarer.

Sie setzte sich auf die Bank, deren Holz verwittert und rissig war. Als sie zum ersten Mal hier oben gewesen war, hatte sie überlegt, ob sie dem Gartenmöbel einmal mit Schleifpapier und frischer Farbe zu Leibe rücken sollte. Dann jedoch hatte sie Gefallen an der rauen Schönheit gefunden, die sich wunderbar in die wild wuchernden Pflanzen einfügte. Der Zustand des Dachgartens erlaubte es ihr, der Illusion eines verwunschenen Ortes zu erliegen, und das war das, was sie brauchte: ein Fluchtpunkt, der es ihr gestattete, für Stunden aus ihrem Leben auszubrechen, das ihr oft so grau und wenig lebenswert erschien.

Der Wind frischte auf. Sie schloss die Augen, spürte, wie der Lufthauch ihr Gesicht liebkoste. Wie die sanfte Berührung eines Liebhabers, war ihr Gedanke. Sie gab sich ganz dieser Vorstellung hin. Ein Wohlgefühl durchströmte sie, das Kribbeln reichte vom Scheitel bis in die Zehenspitzen.

Ein Kitzeln auf ihrem Handrücken unterbrach ihre Hingabe. Wahrscheinlich ein Insekt. Sie bewegte die Hand leicht, spürte es noch immer. Widerwillig öffnete sie die Augen, nur, um sie wenig später ungläubig zusammenzukneifen.