1. Kapitel
Bath, England
Penny warf die Tür hinter sich ins Schloss. Genervt setzte sie sich auf den einzigen Stuhl in ihrem Zimmer, der an dem alten Küchentisch ihrer Eltern stand. Er diente ihr als Schreibtisch, ebenso als Bügelbrett, als Esstisch und als Bücherregal. An die Wand gelehnt stapelten sich darauf zig Liebesschnulzen, die sie alle gelesen hatte und die sie fast alle zum Weinen gebracht hatten. Sie liebte Happy Ends – warum konnte das echte Leben ihr nicht auch einmal eins bescheren?
Es war ein anstrengender Tag gewesen. Sie hatten in der alten Buchhandlung, in der sie arbeitete, eine Lieferung von acht Kisten erhalten, die der Inhaber Jack irgendwo aufgetrieben hatte. Eine alte Dame sei verstorben, hatte er erzählt, und der Nachlassverwalter habe ihm die Bücher zu einem Spottpreis überlassen. Schön für Jack, weniger schön für Penny, der das Vergnügen zuteilwurde, die Werke – ein wirres Durcheinander, wie sollte es auch anders sein? – zu sortieren, zu etikettieren und in die Regale einzuordnen. Das Schlimmste dabei war, dass sie beim Anblick der vielen tollen Bücher nicht widerstehen konnte, und so hatte sie das Gehalt von zwei Stunden mühseliger Arbeit gleich wieder in neue Romane investiert. Es war zum Verrücktwerden, es war wie eine Sucht. Natürlich nicht nur nach Büchern, sondern vor allem nach dem Herzschmerz, der in den Geschichten steckte, dem Mitfiebern, dem Hoffen, dem Bangen und nicht zuletzt der Freude, die einem widerfuhr, wenn man die letzten Worte des finalen Kapitels in sich aufsog. Erst dann konnte Penny beruhigt schlafen.
In ihren dreiundzwanzig Lebensjahren hatte es viele durchlesene Nächte gegeben, nur weil sie unbedingt wissen wollte, ob der Held und die Heldin des Buches am Ende miteinander glücklich wurden. Wurden sie es, erhielt das beendete Buch einen Ehrenplatz auf Pennys Schreibtisch. War das Gegenteil der Fall, landete es wieder im Laden zum Weiterverkauf oder, wenn es sie ganz besonders schwer traf, sogar in der Mülltonne. Rupert, einer ihrer Mitbewohner, schüttelte schon immer den Kopf, wenn er am Morgen danach wieder einmal ein Buch im Abfalleimer vorfand oder wenn er sie mit immer neuen Büchern aus dem Laden nach Hause kommen sah, so wie heute. Gleiches galt, wenn Penny sagte, sie könne nicht an den Partys teilnehmen, die dieWG samstags schmiss, weil sie lieber ins neunzehnte Jahrhundert abtauchen wollte. Eigentlich schüttelte Rupert ständig den Kopf über sie. Und irgendwie hatte er ja recht. Doch das war nun mal Penny, mit ihren Macken und ihren Vorlieben, und die größte davon waren eben Liebesgeschichten. Natürlich hatte sie nichts gegen einen guten Film oder einen Lovesong, doch Romane hatten es ihr schon immer besonders angetan.
Leila, eine ihrer Mitbewohnerinnen und inzwischen gute Freundin, war wohl die Einzige, die sie verstand, denn sie las fast genauso gern wie Penny und schaute öfter mal in derBATHtub full of booksvorbei. Ja, genau so hieß die Buchhandlung –Eine Badewanne voller Bücher–, mit Bezug auf die Stadt Bath, in der sie wohnten. Jack hatte einen eigenartigen Sinn für Humor. Ansonsten war er eher lässig und meckerte nie, wenn Penny sich mal verspätete, was dann und wann durchaus vorkam, weil sie wieder einmal erst kurz vor dem Morgengrauen das Licht ausgemacht hatte. Warum sich aufregen? Sie lebten inBATH! In dieser Stadt war der Kundenandrang nicht gerade ihre größte Sorge.
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»Gute Nacht, liebste Jane«, sagte