: Karin Weber
: Lore-Roman 19 Zwei Mädchen und ein Geheimnis
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732560073
: 1
: CHF 1.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Es gibt Erinnerungen, die wir nicht loswerden. Am Tage können wir sie vielleicht vergessen, ins Unterbewusstsein verdrängen, aber nachts kommen sie als Träume wieder.
Frau Sonja hat solch einen Traum, der immer wiederkehrt. Ein brennendes Haus, ein kleines, kahles Zimmer mit einem Bett; sie hört das Knistern der Flammen, schmeckt den Rauch in der Kehle und wimmert wie damals, als es geschah. Sie lag in der Klinik auf der Wochenstation gelegen, und das Krankenhaus brannte.

Robert ist damals rechtzeitig zurückgekommen und hat sie aus der brennenden Klinik herausgeholt. Sie und ihr Kind. Zwei Tage alt ist Marion gewesen. In eine alte, verschlissene Decke gewickelt, haben sie die Kleine ins Freie getragen.

In den letzten Jahren kommt dieser Traum immer seltener, denn es ist ja alles gut gegangen. Marion ist zu einer bildhübschen, verwöhnten jungen Frau herangewachsen. Über das ungewöhnliche silberblonde Haar macht sich keiner mehr Gedanken. Beide Familien haben zwar dunkle Haare, aber so ist es nun mal mit der Natur - sie hat so ihre seltsamen Launen. Das jedenfalls glauben sie, ihr Mann und ihre Tochter ...

Es gibt Erinnerungen, die wir nicht loswerden. Am Tage können wir sie vielleicht vergessen, ins Unterbewusstsein verdrängen; denn wir wissen ja, es ist alles gut gegangen, es ist nichts geschehen. Aber nachts kommen diese Erinnerungen als Träume wieder …

Frau Sonja hatte solch einen Traum, der immer wiederkehrte. Ein brennendes Haus, ein kleines, kahles Zimmer mit einem Bett; sie hörte das Knistern der Flammen, schmeckte den Rauch in der Kehle und wimmerte wie damals, als es geschah.

Sie lag in der Klinik auf der Wochenstation, und das Krankenhaus brannte. Es war Nacht.

„Mein Kind …“ Frau Sonja fuhr schweißgebadet in die Höhe.

Ihr Blick irrte durch das dunkle Zimmer. Gott sei Dank, sie hatte nur geträumt.

Neben ihr schlief Robert. Sein Atem ging tief und gleichmäßig. Langsam beruhigte sich Frau Sonja. Entspannt ließ sie sich in die Kissen zurückgleiten.

Robert war damals rechtzeitig zurückgekommen und hatte sie aus der brennenden Klinik herausgeholt. Sie und ihr Kind. Zwei Tage alt war Marion gewesen. In eine alte, verschlissene Decke gewickelt, hatten sie die Kleine ins Freie getragen. Die Klinik brannte lichterloh.

In den letzten Jahren kam dieser Traum immer seltener. Marion war kein Säugling mehr, sie hatte sich zu einem recht selbstbewussten, verwöhnten Teenager entwickelt. Nur manchmal träumte Sonja noch von dem, was damals geschehen war. Und hätte geschehen können.

Aber es war ja alles gut gegangen. Das jedenfalls glaubten sie, ihr Mann und ihre Tochter. Sie hatten eben Glück gehabt.

***

Mehr als siebzehn Jahre waren seit jener Nacht vergangen. Robert Mattern dachte kaum noch daran zurück. Es war vorbei. Vergangenheit.

„Wo ist Marion?“, fragte er an diesem Morgen, als er sich an den gedeckten Frühstückstisch setzte.

Seine Frau lächelte nachsichtig. „Sie ist noch nicht fertig. Ich habe sie pünktlich geweckt, aber du kennst sie ja. Das Aufstehen fällt ihr schwer.“

Robert Mattern schüttelte den Kopf.

„Es wird Zeit, dass sie kommt. Das Kind muss in Ruhe frühstücken.“

„Ich bin kein Kind mehr!“ Marion hatte seine letzten Worte gehört. „Ich bin eine junge Dame.“

„Eine entzückende junge Dame“, versicherte der Mann freundlich. „Aber auch eine entzückende junge Dame muss in Ruhe frühstücken, wenn sie in der Schule etwas leisten will.“

Marion be