: Mark Twain
: Skizzenbuch
: OTB eBook publishing
: 9783985310906
: 1
: CHF 1.60
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: Belletristik
: German
: 205
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835-1910) hieß bürgerlich eigentlich Samuel Langhorne Clemens. Zwischen 1859 und 1861 arbeitete er als Schiffslotse auf dem Mississippi. Aus dieser Zeit leitet sich sein Pseudonym her, dass in der Seemannssprache '2 Faden Wassertiefe' bedeutet. Seit 1865 als Schriftsteller tätig, wurde er mit humoristischen Alltagsszenen und Reisebeschreibungen rasch berühmt. Der vorliegende Band enthält zahlreiche humoristisch zugespitzte Skizzen und Szenen, die von so alltäglichen Dingen wie der Schnupfenbekämpfung oder den Besuch bei einem Barbier bis zu Leserbriefen und der Aristokratie reichen.

Einiges über Barbiere.


Alle Dinge sind dem Wechsel unterworfen, ausgenommen die Barbiere, die Gewohnheiten der Barbiere und die Umgebung der Barbiere. Diese ändern sich nie. Was man erlebt und erfährt, wenn man zum erstenmal eine Barbierstube betritt, das erlebt und erfährt man später in allen andern Barbierstuben, bis an das Ende seiner Tage.

Heute morgen ließ ich mich wie gewöhnlich barbieren. Ein Mann kam von der Jonesstraße auf die Thür zu, als ich auf der Hauptstraße herankam – so trifft sich das stets. Ich beschleunigte meine Schritte, aber umsonst; er war mir um eine Sekunde voraus, ich folgte ihm auf den Fersen und sah, wie er den einzigen unbesetzten Stuhl einnahm, wo der erste Barbier sein Amt versah. Das trifft sich immer so. Ich setzte mich in der stillen Hoffnung nieder, Erbe des Stuhles zu werden, welcher dem besseren von den zwei übrigen Barbiergehilfen gehörte, denn dieser hatte schon angefangen seinem Kunden das Haar zu kämmen, während sein Kamerad noch damit beschäftigt war, dem seinigen die Locken einzuölen und einzureiben. In großer Spannung beobachtete ich, was für Aussichten sich mir boten. Als ich sah, daß Nr. 2 drohte Nr. 1 einzuholen, verwandelte sich meine Spannung in Besorgnis. Als Nr. 1 einen Augenblick innehielt, um einem neuen Ankömmling, der ein Badebillet verlangte, Geld herauszugeben und dabei im Wettlauf zurückblieb, wurde meine Besorgnis zur Angst. Als Nr. 1 das Versäumte wieder nachholte und gleichzeitig mit seinem Kameraden dem Kunden das Handtuch abnahm und das Pulver aus dem Gesicht wischte, so daß sich unmöglich voraussehen ließ, welcher von beiden zuerst ›Der nächste!‹ rufen würde, stockte mir der Atem vor banger Erwartung. Als ich nun aber sah, wie sich Nr. 1 im entscheidenden Moment noch damit aufhielt, seinem Kunden ein paarmal mit dem Kamm durch die Augenbrauen zu fahren, da wußte ich, daß er den Wettlauf um dieses einzigen Augenblicks willen verloren habe. Entrüstet stand ich auf und verließ den Laden, um nicht Nr. 2 in die Hände zu fallen; denn jene beneidenswerte Festigkeit besitze ich nicht, die den Menschen in den Stand setzt, einem dienstbereiten Barbiergehilfen ruhig ins Angesicht zu sehen und ihm zu sagen, man wolle auf den Stuhl seines Kollegen warten.

Etwa fünfzehn Minuten blieb ich draußen und kam dann wieder zurück, in der Hoffnung, es werde mir besser glücken. Natürlich waren jetzt alle Stühle besetzt und vier Männer warteten schweigend, ungesellig, zerstreut und mit gelangweilten Mienen, wie das immer der Fall ist, wenn Leute in einer Barbierstube darauf passen, daß die Reihe an sie kommt.

Ich ließ mich auf einem steinharten alten Sofa nieder und vertrieb mir eine Weile die Zeit damit, die eingerahmten Anzeig