Die Verletzung
Ich fühlte mich zerschlagen und betäubt, als ich ein paar Stunden später auf dem Weg zu meinem ersten Termin war.
Meine Kunden waren Buchhändler, sie bestellten bei mir die neuen Bücher verschiedener Verlage, um sie anschließend an ihre Kunden zu verkaufen. Ich kannte meine Einkäufer schon seit Jahren, ich hoffte, keiner von ihnen würde mir ansehen, dass heute Tag eins nach der Katastrophe war. Mitleid hätte ich nicht ertragen.
Anscheinend merkte niemand etwas, zumindest sprach mich keiner darauf an.
Ich spulte mein Programm ab, bewegte und unterhielt mich mechanisch und hoffte, sicher durch diesen Tag zu kommen.
Erst auf der Rückfahrt überfiel mich wieder diese Trauer und löste mit der Angst vor dem Gespräch meine Betäubung ab.
Als ich vor dem Haus auf die Auffahrt fuhr, kam es mir eigenartig vor, dass alles so aussah, wie ich es verlassen hatte. Meine Katzen liefen mir entgegen, der Briefkasten am Haus war voll, mein Nachbar winkte mir zu, alles war wie immer.
Bernd hatte mich vom Fenster aus gesehen und öffnete mir die Haustür, das war anders.
Er räusperte sich, lächelte verlegen und nahm mir meine Tasche ab, was ihn selbst überraschte.
»Na, wie war’s?«
Mir fiel keine Antwort ein. Nicht zu dieser Nacht und diesem Tag.
»Ähm, hast du was gegessen? Tass’ Kaff’?«
Ich hatte das Gefühl, alles sei falsch.
»Ich habe keinen Hunger. Ich will reden.«
Ich setzte mich an den Küchentisch. Bernd begann umständlich die Katzen zu füttern. Ich sah ihm eine Weile dabei zu.
»Bernd, bitte, mach die Schüsseln voll und gut!«
Er stellte sich an die Spüle und schrubbte den Wassernapf. Mit einer Spülbürste.
Ich bekam pochende Kopfschmerzen, meine Haut kribbelte. Mit großer Anstrengung konzentrierte ich mich darauf, nicht die Fassung zu verlieren.
Schließlich setzte er sich auf den Stuhl mir gegenüber. Sofort stand er wieder auf, holte einen Aschenbecher und seine Zigaretten, setzte sich wieder.
Ich sah ihn an. Er wirkte wie immer.
»Und?«
»Was und? Ich habe dir doch gestern schon alles gesagt.«
»Am Telefon. Bei Ines. Warum nicht am Wochenende?«
»Ich finde so was leichter am Telefon. Und es war doch gut, dass du nicht alleine