3. KAPITEL
Elegant und kühl gekleidet mit einer langärmeligen Tunika und einer weiten Hose aus cremefarbenem Leinen, war Lucy für die Besprechung mit den Offiziellen des Palastes bereit. Auf dem Weg dorthin brauchte sie nicht einmal ihre Entwurfsmappe zu tragen, denn der westlich gekleidete junge Mann, der sie zu der Besprechung führte, nahm ihr die Mappe ab. An so viel Luxus sollte ich mich besser nicht gewöhnen, dachte sie amüsiert, während sie ihm durch die hallenden Palastkorridore folgte.
Trotz allem war sie natürlich nervös, als ihr Begleiter schließlich die Tür zu dem gewölbten Ratssaal öffnete. Alle Anwesenden verstummten, als Lucy den Saal betrat. Im nächsten Moment ertönte das Scharren von Stühlen auf dem Marmorboden, als sich alle zugleich erhoben. Stolz aufgerichtet ging Lucy auf den schätzungsweise neun Meter langen, rautenförmigen Konferenztisch zu, um den Araber in ihrenDschellabas standen und auf sie warteten.
Angesichts der tatsächlichen Größenordnung des Projekts kam ihr das morgendliche Hochgefühl plötzlich etwas voreilig vor. Doch bevor ihr ernsthafte Zweifel kommen konnten, rückte der junge Begleiter einen Stuhl für sie zurecht und legte ihre Entwurfsmappe auf den Tisch. So würdevoll wie möglich nahm Lucy Platz. Die Männer folgten ihrem Beispiel. Dann beugte sich ein älterer Mann zu ihr vor.
„Seine Hoheit lässt sich entschuldigen“, erklärte er. „Er kommt etwas später. Wenn Sie so freundlich wären, seinem Rat inzwischen schon einen kurzen Einblick in Ihre Pläne zu geben, wird er, sobald es ihm möglich ist, dazukommen.“
Auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, alle Begrüßungsfloskeln auf einmal hinter sich zu bringen, nickte Lucy zustimmend. Augenscheinlich musste sie ihren Vortrag mit dem Wissen beginnen, dass sie jeden Moment vom Scheich oder seinem Sohn unterbrochen werden konnte. Das war nicht gerade hilfreich, aber sie konnte es nicht ändern.
Tatsächlich hatte sie gerade erst die Einleitung ihrer Präsentation abgeschlossen, als die prachtvolle Doppeltür feierlich von zwei Bediensteten aufgestoßen wurde. Unwillkürlich fingen Lucys Knie an zu zittern. Rund um den Tisch erhoben sich alle Männer und wandten sich zum Eingang des Saals. Das ist doch lächerlich, ermahnte sich Lucy. Derart aufgeregt war sie das letzte Mal gewesen, als …
„Seine Hoheit.“
Als ein Höfling die Ankunft des Scheichs auf Englisch ankündigte – sicher mit Rücksicht auf sie –, blieb Lucy absichtlich seitlich zur Tür stehen. Aber ihre Neugier veranlasste sie dann doch, den Kopf zu wenden.
Um der regierende Scheich von Abadan zu sein, war der beeindruckende Mann, der jetzt mit seinem Gefolge den Saal betrat, eindeutig zu jung. Es musste also sein Sohn sein. Instinktiv erinnerte Lucy sich an die Gestalt im Hof, und ihr Herz pochte schneller. Der junge Thronfolger besaß eine beeindruckende Ausstrahlung, und sein Auftritt im Ratssaal glich einer Hollywood-Inszenierung über einen arabischen Prinzen, mit dem einzigen Unterschied, dass dieser Prinz echt war und auf sie zukam.
Geblendet durch die Sonne, die durch die Glasfenster über den Eingangstüren hereinschien, konnte Lucy den Scheich nicht genau erkennen. Doch sie spürte auch so die Aura von Macht, die ihn umgab. Sicher war er ein harter Mann, denn Scheich Kahlil von Abadan war ein Wüstenprinz, Abkömmling eines alten Kriegervolkes, und bedurfte einer starken Persönlichkeit, um den Respekt seines stolzen Volkes zu gewinnen.
Mit wenigen Schritten durchquerte er den großen Raum, wobei seine schwarzeDschellaba eindrucksvoll hinter ihm her wehte. Seine schwarzeGutrah, gehalten von einem goldenenAgal, verdeckte, was Lucy trotz der blendenden Sonne von seinem Gesicht hätte sehen können.
„Miss Benson“, begrüßte er sie höflich und reichte ihr nach westlicher Art die Hand.
Er war viel größer, als sie erwartet hatte. Beklommen ergriff Lucy die dargebotene Hand, doch bei der ersten Berührung durchzuckte es sie wie elektrisiert. Sie hielt den Atem an. „Eure Hoheit“, erwiderte sie heiser und zog schnell ihre Hand zurück. Instinktiv vermied sie es, den Scheich direkt anzusehen.
„Gentlemen“, hörte sie ihn sagen, „nehmen Sie bitte Platz. Lassen Sie sich durch mich nicht stören. Bitte fahren Sie fort“, fügte er mit einer eleganten Geste an Lucy gewandt hinzu und nahm am Kopf des Tisches Platz.
Etwas in seinem Ton ließ Lucy aufhorchen. Als sie deutlich sichtbar nach Atem rang, merkte sie, dass alle Anwesenden sie besorgt anblickten, und versuchte, sich