: Hera Lind
: Mit dem Rücken zur Wand Roman nach einer wahren Geschichte
: Diana Verlag
: 9783641245474
: 1
: CHF 10.00
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 496
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sara ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Als sie überraschend das Haus ihrer Großmutter erbt, könnte sie aufatmen, wäre da nicht ihr Vater im Nachbarhaus, der ihre Kindheit zur Hölle werden ließ. Er war gewalttätig. Gegen Sara und ihre Mutter. Jahre sind seitdem vergangen, und weil es finanziell eng ist, bezieht Sara mit ihrer Familie das Haus. Doch der Vater nebenan wird wieder zur Gefahr. Diesmal lässt Sara sich seine Attacken aber nicht mehr gefallen. Sie ist erwachsen. Und sie hat einen Plan ...

Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit zahlreichen Romanen sensationellen Erfolg hatte. Seit einigen Jahren schreibt sie ausschließlich Tatsachenromane, ein Genre, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Mit diesen Romanen erobert sie immer wieder die SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrem Mann in Salzburg, wo sie auch gemeinsam Schreibseminare geben.

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Großstadt, 21. Juni 2017

Nebenan laufen die Lokalnachrichten im Radio.

»Heute beginnt der Prozess gegen die drei Angeklagten, die Ende letzten Jahres einen einundsiebzigjährigen Senior gemeinschaftlich schwer körperlich verletzt haben. Die Anklage lautet »versuchter Mord«. Es handelt sich um eine Auftragstat, und eine der Angeklagten soll die Tochter des Opfers sein.«

Das Radio führt mir die Realität vor Augen.

Es ist so weit.

Der Prozess beginnt.

Der Prozess gegen drei Straftäter. Und einer davon bin ich. Ich bin die Tochter des »Opfers«.

Dabei bin ich, Sara, selbst das Opfer. Er war immer der Täter.

Meine beste Freundin Marea fährt uns nach Großstadt. Mein Lebensgefährte Daniel soll als Zeuge aussagen. Ist er überhaupt noch mein Lebensgefährte? So wie er sich aus der Affäre gezogen hat? Diese entsetzliche Tat hat nicht nur gerichtliche Folgen, viel schlimmer sind die emotionalen. Ich habe nicht nur meinen Vater verloren, sondern auch meine Schwester, meinen Freund, meine Würde.

Und jetzt betrete ich doch tatsächlich die große weiße Treppe des Gerichtsgebäudes in Großstadt.

Auf der anderen Seite der Treppe befindet sich ein Zimmer, eine Art Wartezimmer. Ich sehe Stühle, die sich die Wand entlangreihen. Auf einem von ihnen sitzt meine Schwester. Sie schaut mich nicht an. Schließlich handelt es sich bei dem lebensgefährlich verletzten Opfer um unseren Vater. Sie ist als zweite Zeugin geladen. Die Angst, hier und jetzt meinem Vater zu begegnen, überwältigt mich, und ich werfe einen Blick auf die große Wanduhr. Neun Uhr, es ist an der Zeit, in den großen Saal zu gehen. Ich nehme den Glücksbringer meiner Freundin Marea entgegen. Sie drückt mir fest die Hand und lächelt mir aufmunternd zu. Sie wird im Publikum sitzen. Es tut gut zu wissen, dass sie da ist. Der einzige Mensch, der noch zu mir steht. Außer meinen Kindern, aber die halte ich da raus. Im Moment sind sie bei Freunden.

Ein letztes Mal atme ich tief ich durch, genauso wie damals an jenem kalten Winterabend, bevor ich meine Zelle betrat. Als sie mich aus meiner Wohnung geholt und abgeführt hatten. Wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Mord. An meinem Vater.

Mein Anwalt öffnet die Tür zum Verhandlungssaal, und wir gehen zusammen hinein.

Der Saal ist groß. Links befinden sich die Reihen für die Zuschauer. Vorne sehe ich die Plätze für die Richter auf einem Podest. Drei Richter und zwei Schöffen werden sich meiner Geschichte annehmen. Sie sind noch nicht da, die Stühle noch frei. Hoffentlich sind es nicht nur Männer. Hoffentlich sind Frauen dabei, die mich verstehen können.

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Da sitzt er. Heinz Hartmann, mein Vater. Neben ihm sein Anwalt. Mit dem Rücken zu den riesigen Fenstern. Die Sonne taucht ihn in helles Licht wie einen Heiligen.

Dabei war er das nie. Im Gegenteil.Er war der Täter, und Mutter und ich die Opfer.

Do