: Beate Maly
: Aurelia und die Melodie des Todes Ein historischer Wien-Krimi
: DuMont Buchverlag
: 9783832160791
: Ein Fall für Aurelia von Kolowitz
: 1
: CHF 11.70
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wien 1871. Es ist Herbst geworden in der Donaumetropole und die Stadt versinkt im Nebel. Als der Ziegelbaron Meinrad Auerbach aus dem Fenster stürzt, deutet alles auf einen weiteren Selbstmord hin, der mit den Ausschreibungen für die kommende Wiener Weltausstellung zusammenhängt. Kurz darauf wird Aurelia zu einer Séance der berühmten Madame Moreau eingeladen. Die Gastgeberin, Emilia Zobel, ist die Schwester des Verstorbenen und hofft, Kontakt mit ihrem toten Bruder aufnehmen zu können. Der schickt ihr eine Warnung aus dem Jenseits: Jemand wird dich umbringen, Emilia. Aurelia glaubt nicht an Geister und will herausfinden, wer sich hier einen makabren Scherz erlaubt hat. Doch nicht nur sie sorgt sich um Emilia. Auch ihr Schwiegervater Leonard Zobel lässt seine Verbindungen zur Polizei spielen, sodass bald Janek Pokorny auf den Plan tritt. Der hat allerdings viel diesseitigere Probleme: Ein Drehorgelspieler wurde ermordet. Als eine Spur Janek in den Haushalt der Auerbachs führt, scheint sich der Kreis zu schließen. Doch der Nebel des Verbrechens will sich nicht lichten. Die Aurelia-von-Kolowitz-Reihe: Band 1: Aurelia und die letzte Fahrt Band 2: Aurelia und die Melodie des Todes Band 3: Aurelia und die Jagd nach dem Glück Alle Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

BEATE MALY, geboren und aufgewachsen in Wien, arbeitete in der Frühförderung, bevor sie vor mehr als zwanzig Jahren mit dem Schreiben begann. Neben Geschichten für Kinder und pädagogischen Fachbüchern hat sie bereits zahlreiche historische Romane und Kriminalromane veröffentlicht. Bei DuMont erschienen>Aurelia und die letzte Fahrt< (2022) und>Aurelia und die Melodie des Todes< (2023).

Aurelia

Praterstraße

Das Redaktionsbüro der Satirezeitschrift Figaro glich einem unaufgeräumten Wohnzimmer. Auf einem ovalen Tisch stapelten sich Papiere. An den Wänden reihten sich Regale, deren Bretter sich unter der schweren Last von Büchern, Mappen und dicken Ordnern bogen. In einer Ecke verkümmerte eine Topfpflanze, daneben befanden sich ein Sofa und vier niedrige Lehnsessel. Auf dem quadratischen Tischchen davor standen schmutzige Kaffeebecher, eine halb volle Bonbonniere aus der Konditorei Demel und eine Obstschale mit zwei schrumpeligen Äpfeln, die wohl seit Wochen darauf warteten, gegessen zu werden. Die Luft in dem beengten Raum war zum Schneiden dick. Abgestandener, kalter Rauch machte das Atmen zur Qual.

»Darf ich das Fenster öffnen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, stand Aurelia auf, trat zum Fenster und öffnete es. Erleichtert atmete sie den süßlichen Duft einer blühenden Linde ein, die im ansonsten schmucklosen Innenhof stand.

»Seit wann stören Sie sich am Geruch von Tabak?« Ferdinand Lorenz, der Chefredakteur, sah Aurelia irritiert an, machte aber keine Anstalten, seine Pfeife wegzulegen.

»Ich habe mir das Rauchen abgewöhnt.«

»Warum das denn?«

Aurelia zuckte entschuldigend mit den Schultern. Als junge, moderne Frau, die sich für Kunst interessierte, gehörte das Rauchen zum guten Ton.

»Irgendwann habe ich bemerkt, dass das Essen nicht mehr richtig geschmeckt hat. Allem haftete ein Hauch Tabak an. Einem Apfel ebenso wie einem Stück Sachertorte beim Demel.«

Aurelia blieb beim Fenster stehen und stemmte die Hände in die schmalen Hüften. Obwohl sie ihr Korsett heute nicht annähernd so fest zugeschnürt hatte wie von der Schneiderin vorgesehen, war ihre Taille so schlank, dass selbst die Kaiserin vor Neid erblasst wäre. »Was sagen Sie nun zu den Zeichnungen?«, fragte sie.

Lorenz ergriff die Blätter, die vor ihm auf dem niedrigen Beistelltischchen lagen. Er runzelte besorgt die hohe Stirn. Dabei rutschte seine Brille auf die Nasenspitze. »Sehr böse, aber sie treffen ins Schwarze.«

Sein Blick ruhte auf zwei Tuschezeichnungen. Es waren Karikaturen, die sich über die Doppelmoral der Gesellschaft lustig machten. Auf einer war ein Mann zu sehen, der seine Frau mit erhobenem Zeigefinger belehrte, den täglichen Gottesdienst nicht zu versäumen, während vor seiner Tür bereits eine Prostituierte gelangweilt wartete. Die andere zeigte einen Priester, der vor einem Kreuz kniete. Unter seiner hoch ausgewölbten Kutte schauten nicht nur seine Füße, sondern auch die einer Frau hervor.

»Die Zeichnung mit dem Pfaffen können wir nicht bringen, die ist zu heikel. Aber die andere drucken wir.«

»Was denn? Dürfen Sie sich über die Scheinheiligkeit der Kirche nicht lustig machen?«, fragte Aurelia verärgert. »Woher stammen denn all die Kinder der Pfarrerköchinnen? Glauben Sie etwa, der Heilige Geist hat sie geschickt?«

Lorenz schüttelte missbilligend den Kopf.

»Über die Juden ziehen doch auch alle her. Haben Sie gesehen, was der Kikeriki letzte Woche gebracht hat?«, fuhr Aurelia leidenschaftlich fort. Das Konkurrenzblatt machte immer öfter mit antisemitischen Witzen Stimmung gegen die jüdische Bevölkerung.

»Bald glauben die Wiener, der Jude ist ein Millionär mit Hakennase, der sich auf Kosten der Armen bereichert. Dabei gibt es in Wien wohl mehr arme, mittellose Juden, die sich für einen Hungerlohn abrackern, als irgendwo anders auf der Welt.«

Lorenz legte die Zeichnungen wieder zurück, rückte seine Brille zurecht und strich sich über den bauschigen Backenbart, der seine vollen Wangen verbarg.

»Ich kann Ihren Unmut verstehen, aber ich bringe in meiner Zeitschrift keine Karikatur über einen Priester. Ich würde gerne noch eine Weile im Geschäft bleiben.«

»Pff!« Aurelia blies sich eine ihrer Locken, die sich aus ihrer hochgesteckten Frisur gelöst hatte, aus der Stirn.

»Ich veröffentliche Karikaturen einer jungen Frau, damit stehe ich eh mit einem Fuß im Gefängnis«, vertei