Kapitel 1
Der Regen prasselte gegen die Scheiben, und obwohl der kleine Zeiger der alten Uhr erst auf die Fünf zeigte, war es draußen bereits stockfinster. Die Ladentür schwang auf, eine Kundin kam herein und mit ihr ein Schwall kühler Luft, der nach Regen und dem sich nahenden Winter roch. Ich schaute von meinen Notizen für den diesjährigen Adventsmarkt auf und begrüßte sie lächelnd.
»Kann ich Ihnen helfen, oder möchten Sie sich zunächst umschauen?«
Sie schloss ihren Schirm und stellte ihn in den Ständer im Eingangsbereich. »Danke, ich schlendere einmal durch«, erwiderte sie, während sie den Blick schon über die Ausstellung mit den alten Möbeln schweifen ließ. Ich tat es ihr gleich und verspürte einen kurzen Moment der inneren Zufriedenheit. Das Hygge Up war mein Baby. Die Möbel waren alle in hellen Farben gehalten, weiß, taubenblau und salbeigrün. Wir hatten sie zu einzelnen Szenen arrangiert und mit passendem Geschirr, Kerzen, Kissen und Decken aus unserem Sortiment dekoriert. Ich liebte jedes Stück, das wir hier verkauften. Aproposwir, wo blieb eigentlich meine Schwester? Linn wusste doch, dass gleich nach Geschäftsschluss die Versammlung mit den übrigen Ladenbesitzerinnen und -besitzern anstand, um final alles für die Adventszeit zu besprechen. Dieses Jahr wollten wir mit einer Punschbude und einem Mutzenstand mehr Menschen zu uns in den Fahrensmann-Hof locken. Vor dem Café von Ilse, das sich am Ende des Hinterhofes befand, sollte der Stand für die Mutzen aufgebaut werden. Linn und ich waren gemeinsam mit Martha vom Krimskramsladen nebenan für das Anbringen der Lichterketten zuständig. Levin und Maike von dem Geschäft Tante Emma gegenüber, in dem unverpackte und fair gehandelte Lebensmittel angeboten wurden, übernahmen die Punschbude. Die letzte im Bunde – Ursel von der Wolltruhe, die zwischen dem Café von Ilse und dem Unverpackt-Laden lag – würde für weihnachtliche Musik sorgen. Unser kleiner Markt startete am Samstag des ersten Adventswochenendes und würde von da an jeden Freitag und Samstag stattfinden. Zunächst hatten wir diskutiert, auch am Sonntag zu öffnen, aber die Mehrheit stimmte dagegen. Das alles hatten wir bereits vor Monaten besprochen, heute ging es lediglich um letzte Abstimmungen. Trotzdem fand ich es wichtig, dass Linn dabei war.
»Haben Sie ein Küchenregal wie dieses, nur etwas kürzer?«, riss eine Kundin mich aus meinen Gedanken.
Ich folgte ihrem Fingerzeig zu einem alten, weiß lackierten Regal mit kleinen Häkchen für Tassen oder andere Küchenutensilien.
»Wie lang darf es denn maximal sein?«
»Höchstens einen Meter, lieber wäre mir eine Länge von achtzig Zentimetern.«
Ich nickte und vergewisserte mich kurz, ob die anderen Kundinnen ohne mich zurechtkamen – wo blieb nur Linn? – , ehe ich mich ins Lager begab. Die Tür ließ ich offen stehen, damit ich zumindest ein wenig von dem mitbekam, was im Verkaufsraum vor sich ging. Mit Diebstählen hatten wir eher selten Probleme, dennoch ließ ich die Kunden nicht gern allein.
Eilig kämpfte ich mich durch die Reihe mit den Möbeln, die der Tischler noch aufbereiten musste oder für die wir vorn einfach keinen Platz mehr gehabt hatten. Das Küchenregal, das ich im Sinn hatte, versteckte sich natürlich im hintersten Eck, und es dauerte, bis ich es zwischen den Korbwaren hervorgezogen hatte. Zurück im Verkaufsraum war eine der anderen beiden Kundinnen gegangen. Hoffentlich hatte ihr die Wartezeit nicht zu lange gedauert, schoss es mir durch den Kopf, während ich lächelnd das Küchenregal hochhielt.
»Wie gefällt Ihnen dieses?« Ich legte es auf den Kassentresen und griff zum