: Carolin Miltenburger
: Luisentor Roman
: Books on Demand
: 9783756867066
: 1
: CHF 7.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 242
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Berlin 1990 - Eine Stadt im Umbruch zwischen Kaltem Krieg und Wiedervereinigung. Anna kommt zum Studium nach Berlin und wohnt bei ihrem Großvater Ludwig. In seiner Wohnung macht sie eine überraschende Entdeckung. Doch Ludwig weicht ihren Fragen aus - er scheint Angst zu haben. Auf ihrer Suche nach Antworten erfährt Anna zum ersten Mal von den Massensuiziden unter der Zivilbevölkerung am Ende des 2. Weltkriegs. Eine Tragödie, über die bis heute kaum jemand spricht. Und die niemand wirklich versteht. Anna ahnt, dass ihre Familie in die Ereignisse verstrickt sein muss. Sie will herausfinden, was passiert ist, denn das Schweigen über die Vergangenheit liegt wie eine Bleidecke auch über ihrer Generation - den Kriegsenkeln. Was Anna herausfindet, verändert alles. Im Roman »Luisentor« geht es um eine »ganz normale Familie«, auf der Suche nach ihrer eigenen Geschichte. »Gemeinsam weiter dämmern«, erkennt Anna, »das macht doch überhaupt keinen Sinn. Gemeinsam erinnern macht Sinn.«

Carolin Miltenburger wurde 1960 in Karlsruhe geboren und wuchs in München und Darmstadt auf. Studium der Psychologie und Promotion in Berlin. Nach beruflichen Stationen in Lausanne und Basel lebt sie heute in Berlin und Brandenburg. Luisentor ist ihr erster Roman.

1


Berlin fühlte sich für ihn an wie ein Zustand kurz nach dem Krieg. Eine auf Trümmern errichtete Zeitzone, die in den Neunzehnhundertsiebzigern beinahe direkt neben der modernen Bundesrepublik lag. In den Wintern war es dort kalt und dunkel. Bruchkohleschwaden lasteten auf der Stadt, die sich unter den Ostwinden duckte, und färbten den Himmel Schwarz-weiß. Ein Geruch von schwefligem Ofenbrand lag zäh über beiden Teilen der halbierten Stadt. Man konnte den Geruch fast sehen.

Als Annas Vater zum Studium nach Berlin kam und sein Leben in dieser Zeitzone begann, gab es einiges an Ungewohntem zu entdecken. Wohnungen, dieStube und Küche hießen. Oderhalbe Treppe, wo man die ungeheizte Toilette mit Nachbarn teilen musste, die man nicht mal grüßte.

Wenn er später darüber nachdachte, warum er die Stadt wieder hatte verlassen wollen, dann fielen ihm vor allem die endlosen Winter ein. Wochenlang war alles mit einem schmutzig verkrusteten Eispanzer bedeckt, der mit einem harten Knirschen unter den Schritten einbrach. Schwarzer Schnee türmte sich an Straßenkreuzungen. Ein gelblicher Film waberte in der frostigen Luft und Ruß knirschte leise zwischen den Zähnen.

Arktisch nannte er dieses Klima, vor allem weil der scharfkantige Klang dieses eisigen Wortes am besten das Gefühl beschrieb, das ihn aus der Stadt trieb. Es war eine in den Knochen sitzende Kälte. Ein leiser, sägender Schmerz, der nicht nachließ. Beinahe wie Sibirien.

Dabei gefiel ihm Berlin eigentlich. Fast an jeder Ecke Geschichte. Die Stadt war immer am Werden und wurde nie. Es g