: Olaf Maly
: Dezemberblues Eine Kommissar Wengler Geschichte
: BookRix
: 9783743887046
: 1
: CHF 4.00
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 266
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es war ein paar Wochen vor Weihnachten. Der Christkindlmarkt war voll in Gang. Es roch nach Kerzen, Zimtsternen, Räucherstäbchen und Jägertee. Der Weihnachtsbaum am Marienplatz strahlte in allen Farben. Ein Chor sang Weihnachtslieder. Die Heilsarmee sammelte und ließ ihr Glöckchen klingen. Die Luft war kalt. Sehr kalt. Der Schnee knirschte unter den Schuhen. In dieser anheimelnden Stille wurde in der Viscardigasse ein Toter gefunden. Steif gefroren lag er gegen die Hauswand gelehnt. Erschossen. Bekleidet nur in Hemd und Hose, ohne Jacke oder Mantel. Niemand hatte bemerkt, dass er dort hingelegt worden war. Sehr schnell stellte sich heraus, dass er ein Bauunternehmer war, der hauptsächlich alte Wohnungen saniert und teuer verkauft hatte. Ein einträgliches Geschäft, in dem man sich nicht nur Freunde machte. Nicht nur in München. Gab es da einen Zusammenhang mit seinem vorzeitigen Tod? Wollte sich jemand rächen? Niemand in seinem Umfeld schien sehr viel über ihn zu wissen - oder nicht wissen zu wollen. Er war nicht sehr kontaktfreudig. Kommissar Wengler musste langsam herausfinden, was der Tote eigentlich getan und wie er gelebt hat und was letztlich dazu geführt hat, dass man ihn auf diese Art beseitigt hatte. Eigentlich wollte er Weihnachten bei seiner Cousine in Aschau verbringen und nicht in München einen Mörder suchen. Er freute sich schon auf die Weihnachtsgans, die das ganze Jahr extra für diesen Anlass gemästet wurde. Das gab ihm nicht viel Zeit, den Fall zu lösen, noch dazu, da niemand sonderlich gewillt war, ihm hilfreich Auskunft zu geben.

Kapitel 1


Es war kalt an diesem Abend. Sehr kalt. Saukalt, sagte man in Bayern. Oder auch arschkalt. Es gab noch viele mehr solcher Ausdrücke, die aber immer nur dasselbe bedeuteten. Dass es eben kalt war. Der kälteste Tag seit Jahren. In der letzten Woche fror sogar der Nymphenburger Kanal zu, sodass man auf ihm Schlittschuh laufen konnte. Das hatte es seit Jahren nicht gegeben. Die ganze Strecke, vom Hubertusbrunnen bis zum Schloss. Das waren fast zwei Kilometer. Nicht, dass Herbert Wengler seine Schlittschuhe aus dem Keller geholt hätte, nein, aber er hätte können, wenn er hätte wollen. Er hatte sie noch, das Paar Eishockey-Kufen, das er sich gekauft hatte, als er jung war. Er wollte eine Dame beeindrucken, die Eiskunstläuferin war. Wie das eben so ist. Es brachte nichts. Sie verließ ihn für einen Skiläufer, was er damals, in dem Moment, überhaupt nicht hatte verstehen können. Seitdem lagen die Kufen im Keller.

Eisstockschießen wäre ihm sowieso lieber gewesen, aber auch darauf hatte er in dieser Kälte keine gesteigerte Lust. Obwohl er in seinen mittleren Jahren ganz gut darin war. Jedes Wochenende waren sie draußen, er und seine Freunde. Bei Wind und Wetter. Der Eisstock war aus niederbayerischer Eiche. Handverlesen und nach seinen Maßen gebaut. Sein Heiligtum. Keiner durfte ihn anfassen. Sie schafften es bis zur Stadtteilmeisterschaft. Giesing gegen Harlaching. Er führte die damalige Niederlage allein auf die Tatsache zurück, dass sie vor dem Wettkampf zu viel getrunken hatten. Es war einfach kalt, die Harlachinger kamen zu spät, und die Flasche Obstler war leer, bevor sie überhaupt angefangen hatten, einen Stock die Bahn hinunterzuschießen. Sie sagten das auch den Harlachingern, da man eine gewisse Taktik dieser Leute in ihrem Zuspätkommen vermutet hatte, woraufhin man sich dann auch noch ausgiebig und handgreiflich die Meinung sagte. Das Regionaltreffen fiel also aus. Man wertete das Ergebnis als unentschieden.

Kommissar Herbert Wengler saß in seiner braunen Cordhose mit einem Holzfällerhemd und einer dicken Jacke aus Schafwolle auf seinem Sessel im Wohnzimmer, in dem er immer saß, wenn er aus dem Fenster sehen wollte. Er hörte Wagner. Götterdämmerung. Eines seiner Lieblingsstücke. Nur die Stehlampe war an und spendete gedämpftes Licht, das von der Wand verschluckt wurde. Sanfte Schatten zeichneten sich ab, von den wenigen Blumen, die er im Zimmer hatte und der Figur des heiligen Franziskus. Er hatte sie einmal auf einem Trödelmarkt erstanden. Irgendwie gefiel sie ihm. Das