Es war Vatertag. Nicht, dass Herbert Wengler Vater wäre, nein. Jedenfalls nicht, dass er davon wüsste. Keine seiner Lieben hat ihn je nach Unterhalt gefragt oder eine Andeutung in diese Richtung gemacht. Also ging er davon aus, dass sich seine Gene nicht ohne sein Wissen verbreitet hatten. Allein der Gedanke, dass ein zweiter Herbert Wengler diese Erde mit seiner Anwesenheit beehren würde, verursachte ihm leichte Magenschmerzen. Einer war genug. Das hatten ihm auch viele seiner Lieben mit auf den Weg gegeben, als es wieder einmal vorbei gewesen war.
Den Vatertag feierlich zu begehen, bedeutete aber auch, dass alles, was man machte, am Ende sowieso gut war. Es lag eben in der Natur der Sache, dass solche Tage gut waren. Und es gut war, Vater zu sein. Auch wenn es manchmal nicht gut war. Also im Prinzip war der Vatertag etwas Gutes, ob man nun wollte oder nicht.
Aber dennoch war Vatertag. Ob er nun einer dieser Gattung war, die an diesem Tag ihre Leistung in Bezug auf die Menschheit zu zelebrieren gedachte, oder nicht, war absolut nebensächlich. Der Tag musste gefeiert werden. Wie vieles im Leben, hatte auch dieser Tag bezüglich der Anlässe, die man feierte, nur eine sinnbildliche Bedeutung und mit der Ehrung der Väter ungefähr so viel zu tun, wie ein Pferd mit der eierlegenden Wollmilchsau. Nämlich nichts.
Für Leser, die mit der bayerischen Terminologie dieser Gattung nicht vertraut sind – wobei ich nicht das Pferd meine – hier die offizielle Erklärung: Eine eierlegende Wollmilchsau ist ein Tier, das die Eigenschaften von Huhn (Eierlegen), Schaf (Wolle), Kuh (Milch) und Schwein (Fleisch) in sich vereint. Wie es nun aussieht, dieses Wesen der bayerischen Hemisphäre und Mythologie, darf sich jeder selbst ausdenken. Dem sind keine Grenzen gesetzt.
Herbert Wengler verbrachte diesen Tag, wie tausende andere seiner männlichen Artgenossen in München, an der Isar. Seine Freunde, der Hintermeier Egon von der Glockenbachstraße und der Schäfer Franz aus Giesing, leisteten ihm Gesellschaft. Man zog, wie jedes Jahr, den Handwagen, den der Egon schon vor Jahren mit einem weiß-blauen Rautenmuster bemalt hatte, wie in einer heiligen Prozession hinter sich her. Auf den Wagen stellten sie einen Kasten Bier und eine Kühltasche, gefüllt mit Bratwürsten und Brezeln. Auch eine Flasche klarer Schnaps, Obstler genannt, war in der Tasche, die gerade so groß war, dass die Flasche der Länge nach hinein passte. Das war kein Zufall, wie man solche Dinge auch nie einem Zufall überlassen sollte.
Es war geplant. Genau geplant. Es hatte damals Tage gedauert, die richtige Tasche zu finden. Nur glückliche Umstände hatten dabei helfen können. Finden ist vielleicht nicht das richtige Wort. Man wurde gefunden.
Und das