: Malachy Tallack
: Das Tal in der Mitte der Welt Roman
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641246280
: 1
: CHF 8.70
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: Erzählende Literatur
: German
: 384
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Shetland - Schafe und Natur, unbarmherziges Wetter, enge Bindungen und althergebrachte Lebensweisen. Hier, in dem Tal auf einer kleinen Insel, hat David sein ganzes Leben verbracht, wie vor ihm sein Vater und sein Großvater. Hier will Sandy eine neue Heimat finden, hier hat Alice nach dem Tod ihres Mannes Zuflucht gesucht. Aber die Zeiten ändern sich, Menschen sterben oder ziehen weg, und David fragt sich, wie die Geschichten und Traditionen seines Tals weitergeführt werden sollen, während andere zweifeln, ob sie jemals dazugehören werden. Die Geschichte des kleinen Tals birgt die ganze Welt.

Malachy Tallack ist Schriftsteller, Singer-Songwriter und Journalist. 2014 gewann er den New Writers Award des Scottish Book Trust und 2015 die Robert Louis Stevenson Fellowship. Mit seinem ersten Buch »60º Nord« kam er auf die Shortlist des Saltire First Book Award, das zweite, »Von Inseln, die keiner je fand«, wurde 2016 bei der Verleihung der Edward Stanford Travel Writing Awards als Illustrated Travel Book of the Year ausgezeichnet. Beide Bücher beschäftigen sich mit Nature Writing, Geschichte und Memoir. Sein Debütroman »Das Tal in der Mitte der Welt« kam 2018 auf die Shortlist des Highland Book Prize und wurde für den Royal Society of Literature Ondaatje Prize nominiert. Malachy Tallack ist in Shetland aufgewachsen und lebt aktuell in Stirlingshire.

An diesem Vormittag musste Sandy Emmas Vater beim Schlachten helfen. Die Lämmer waren so weit, und der Tag war trocken. Letzte Woche hatte er versprochen, ihm zur Hand zu gehen, zu tun, was getan werden musste. Aber da hatte er noch nicht gewusst, dass Emma nicht mehr da wäre.

Er schüttete sich Müsli in eine Schüssel und setzte den Kessel auf. Er aß am Tisch, trank seinen Kaffee dann stehend am Fenster. Von dort sah er das Tal vor sich ausgebreitet, das braune Band des Bachs, das sich durch die Biegung des Tals schlängelte. Stare zankten sich auf dem Steinmäuerchen in einer Ecke des Gartens. Schafe grasten und tratschten auf der angrenzenden Weide. Vor Maggies Haus am Ende der Straße meldete sich ein junger Hahn in der Welt zurück. Dahinter rutschte das Tal ins Meer. Ein Hauch Salz auf der Fensterscheibe ließ alles weiter weg aussehen, als es sein sollte.

Gestern war Emma gegangen, mit einer Tasche Klamotten und ein paar Sachen aus dem Bad. Ihre Zahnbürste war nicht mehr da. Ihr Shampoo und ihr Conditioner. Die Haarbürste vom Nachtkästchen. Der kleine Stift Lippenbalsam. Sie komme nächste Woche wegen des Rests, hatte sie gesagt, und danach, wer weiß? Sie wolle sich eine Wohnung auf dem Festland suchen – wahrscheinlich wieder in Edinburgh –, und in der Zwischenzeit werde sie bei einer Freundin in Lerwick unterkommen.

Der Zeitpunkt war eine Überraschung gewesen, nicht, dass sie ging. Sie redeten seit Monaten darüber, immer mal wieder, bis Emma keine Lust mehr hatte zu reden. Am Ende war es schwer zu sagen, wessen Entscheidung es gewesen war. Die Fäden dieser Unterhaltungen waren immer wirrer und unzusammenhängender geworden. Abschneiden schien der einzige Ausweg zu sein. Und obwohl Emma den Schnitt machte, war es Sandy gewesen, der den Knoten erst zugezogen hatte. Er hatte selbst dafür gesorgt, dass er verlassen wurde.

Nach dem Packen war Emma die wenigen hundert Meter zum Haus ihrer Eltern gefahren, um ihnen zu sagen, dass sie wegging. Davor hatte ihr gegraut, das wusste er. Vor der Enttäuschung ihrer Eltern. In der Stunde, während ihr Auto in der Einfahrt vor Kettlester stand, war Sandy unruhig. Er wollte dabei sein, um sich selbst zu verteidigen, alles aus seiner Sicht zu erklären. Aber er wusste nicht so recht, ob er es erklären konnte. Und es stand ihm nicht zu. Also wartete er einfach, rang die Hände und starrte auf den Boden.

Die Küchenuhr tickte – eine amerikanische Ogee-Standuhr mit einem Segelschiff vorne drauf. Früher hatte sie Sandys Großvater gehört, jetzt gehörte sie Sandy. Emma hasste die Aufdringlichkeit ihres Klangs, aber er hörte ihn gern. Wenn er in Gedanken woanders und das Geräusch getilgt war, hielt Sandy manchmal inne und horchte, um es wiederzufinden, als wäre es neu. Das holte ihn sofort in Raum und Zeit zurück.

Er bewegte sich, versuchte, die Schultern zu lockern. Er rollte sie ein paarmal und bewegte den Kopf hin und her. Die Nacht hing noch an ihm wie feuchte Wolle, aber der Gang die Straße hoch würde helfen. Er würde ihn wach machen. Sandy stellte die Tasse auf das Abtropfblech und nahm den Overall vom Haken an der Tür. Auch eine Jacke nahm er mit, für alle Fälle. Draußen war die Luft ruhiger und stiller, als er erwartet hatte. Es war einer dieser Vormittage, an denen man Leute am anderen Ende des Tals reden hören könnte, falls dort jemand war, der redete. Sandys Stiefel klapperten über den Asphalt, und die Scheide mit dem Messer in seiner Tasche scheuerte bei jedem Schritt.

»Das ist mein Zu