: Gaius Valerius Catullus
: Gedichte Aus dem Lateinischen. Übersetzung, Nachwort und Anmerkungen
: EDITION digital
: 9783965216181
: 1
: CHF 6.40
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: Lyrik
: German
: 271
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gleich zu Beginn des kenntnisreichen und erhellenden Nachworts von Volker Ebersbach zu diesen von ihm aus dem Lateinischen übersetzten Gedichten des Gaius Valerius Catullus, der von etwa 87 bis 54 v. u. Z. lebte, findet sich eine sehr interessante Bemerkung: 'Große Teile der antiken Literatur sind verlorengegangen. Wir können sicher sein, dass wir unter den Werken, die wir heute besitzen, auch die größten finden. Ob aber das Verlorene immer das Schlechtere als das Überlieferte war, kann niemand mit Bestimmtheit sagen.' Zum Glück war durch mehrere Zufälle zumindest eine einzige Handschrift in Catulls Vaterstadt Verona bis ins Mittelalter vor der Vernichtung bewahrt worden. Das späte Kaiserreich kannte Catull nicht mehr, weil sein Werk sich nicht für die Rhetorenschulen eignete; dazu war es zu originell. Im 10. Jahrhundert las der Bischof Rather von Verona die antike Handschrift, die in der Verborgenheit des Vergessens die unruhige Zeit der Völkerwanderung überdauert hatte. Seine Freude daran war nicht ungetrübt - er glaubte, sich eines solchen Vergnügens schämen zu müssen. Dann verschwand der Kodex wieder. Erst zu Beginn der Renaissance im 14. Jahrhundert wurde er von den ersten Humanisten mehrfach abgeschrieben; seitdem ist er verschollen, und die Abschriften sind heute die einzige Textquelle. In seinem Nachwort äußert sich Ebersbach auch zur Biografie des Dichters: 'Über das Leben des Gajus Valerius Catullus wissen wir außer dem, was aus seinen Gedichten hervorgeht, nur wenig, und das Wenige nicht einmal sicher. Widersprüchlich sind die Lebensdaten, die Hieronymus im 4. Jahrhundert u. Z. zu nennen weiß, gestützt auf eine verloren gegangene Schrift Suetons, des kaiserlichen Kanzleibeamten Hadrians (2. Jh. u. Z.). Dass Catull nur wenig mehr als dreißig Jahre gelebt hat, ist außer Zweifel. Nicht vor 87 v. u. Z. ist er geboren und wohl 54 v. u. Z. gestorben. In seinem Geburtsort Verona gehörten die Valerier zu den reichsten und angesehensten Familien. Für den Sohn eines solchen Hauses führte der Weg so früh wie möglich nach Rom. Die Hoffnungen, die der Vater an die damals übliche rhetorische Ausbildung seines Sohnes knüpfte, mochten sich auf die Laufbahn eines tüchtigen Juristen oder gar Politikers richten. Doch er wurde enttäuscht. Für uns Heutige mischen sich in seinem schillernden und kontrastreichen Werk grobe und freche, an Drastik kaum zu überbietende Schmähungen mit Versen von erlesenem Künstlertum, Gedichte voller Leidenschaft und voller Trauer.

Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universitä Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte. Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt. Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig. Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985 Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993
99 Bei der Gymnastik, mein süßer Juventius, raubte ich dir ein (Surripui tibi, dum ludis, mellite luventi) Bei der Gymnastik, mein süßer Juventius, raubte ich dir ein Küsschen, so süß - so süß ist auch Ambrosia nicht. Aber ich tat es nicht straflos, denn eine reichliche Stunde war mir, als schmachtete ich oben am schänd- lichen Kreuz, dich um Entschuldigung bittend. Doch wurde, soviel ich auch weinte, deine erbitterte Wut nicht im Geringsten gedämpft. Kaum war es nämlich geschehen, benetztest du all deine Finger, und mit dem tropfenden Nass riebst du die Lippen, damit keine Befleckung mein Mund hinterließ wie mit Unflat vermischter Speichel vom Mund einer ganz schmierigen Hure vielleicht. Schwärztest mich außerdem an bei dem wankelmütigen Amor, ließt von der Grausamkeit also noch immer nicht ab, bis das ambrosische Küsschen für mich sich verwandelte: Nunmehr schmeckt es so herb - so herb schmeckt nicht das bitterste Kraut. Weil du für Leidenschaft nur eine solche Bestrafung bereithältst, stehle ich niemals mehr dir einen heimlichen Kuss.