Ann Kathrin erhielt eine Nachricht von Kommissar Georges Dupin aus der Bretagne. In Rechtsanwalt Eissings Haus war Dupin auf ein merkwürdiges Paket gestoßen. Er hatte es von allen Seiten fotografiert und den Inhalt ebenfalls.
Das Paket enthielt Wäsche. Eine Jeans. Ein Paar Socken. Einen hellblauen Damenslip. Einen gleichfarbigenBH von H&M. Ein weißes T-Shirt mit einem Schmetterling auf dem Rücken. Ein Sweatshirt. Eine Stoffjacke mit Schmetterlingsbrosche und ein Paar Turnschuhe Größe 39, Marke Nike. Außerdem ein rotweißes Stirnband.
In dem Haus hatte sich keine andere Damenwäsche befunden. Nur diese in einem Postpaket, hinten in einem Kleiderschrank.
Ann Kathrin fuhr mit den Bildern sofort zu Peter Röttgen, der sich in die Ferienwohnung der Familie Janssen in der Friesenstraße in Bensersiel zurückgezogen hatte. Vor der Tür in einem Strandkorb saß ganz unauffällig der Kollege Benninga und las den Anzeiger für Harlingerland.
Benninga wusste noch nicht, dass dieser Tag sein Leben verändern würde. Er fand es langweilig und blöd, hier herumzuhocken, aber dies war sein letzter aktiver Tag im Polizeidienst. Zu diesem Zeitpunkt glaubte er, dass er noch siebzehn Jahre bis zur Rente vor sich hätte. Er ahnte nicht, dass vor ihm unendlich viele Therapien und schließlich die Dienstunfähigkeit lagen.
Röttgen identifizierte die Kleidungsstücke augenblicklich als die Sachen seiner Frau. Die Schmetterlingsbrosche hatte er ihr zum Hochzeitstag geschenkt.
Da sie beide Schmetterlinge liebten, hatten sie im Garten mehrere Sträucher Schmetterlingsflieder, und zu jedem Hochzeitstag bekam sie ein Schmuckstück mit Schmetterling. Anhänger. Kettchen. Ohrringe.
»Das«, sagte Peter Röttgen und tupfte sich mit einem Papiertaschentuch den schweißnassen Hals ab, »ist die Kleidung, die meine Frau am Tag ihres Verschwindens getragen hat. Es fehlt praktisch nichts, bis auf das Kettchen.«
»Kettchen?«, fragte Ann Kathrin.
Er zeigte ihr ein Foto seiner Frau, darauf trug sie ein Kettchen mit einem Anhänger, der aussah wie ein Teekessel.
»Das ist aus dem Teemuseum. Es sind Originale, die gibt es nur dort. Ich habe es ihr zum Hochzeitstag geschenkt.«
»Haben Sie auch im Teemuseum geheiratet?«, fragte Ann Kathrin.
Er winkte ab. »Nein. Angela trank nur gern Tee, und sie sammelte Teetassen, und die Kette hat sie zum zehnten Hochzeitstag von mir bekommen. So richtig teuren, edlen Schmuck mochte sie nicht. Da war sie anders als viele Frauen. Gold und Diamanten … nein, das war nicht ihr Ding. Aber mit dieser Kette hier habe ich ihr damals eine Riesenfreude machen können … Damals, als noch alles in Ordnung war.«
Nachdenklich sackte er in sich zusammen und schien eine Weile unerreichbar zu sein für die Menschen seiner Umgebung. Dann fuhr er leise fort: »Sie hat nichts sonst mitgenommen. All ihre Lieblingskleider hängen noch im Schrank. Im Sommer hat sie gern Kleider getragen. Sie hatte schöne Beine, meine Angela, und sie hat sie gern gezeigt.«
Er schwieg wieder eine Weile. Als seine Hand zum Wasserglas griff, zitterte sie so sehr, dass er es abstellen musste.
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte er Ann Kathrin schließlich, sah aber aus, als würde er sich für die Antwort kaum interessieren. Er versank wieder in sich selbst.
»Ich werde Herrn Eissing ein paar Fragen stellen.«
Peter Röttgen blickte zur Wand, als könne er dahinter das Meer sehen. »Die Depression«, sagte er leise, »ist wie ein dunkles Netz aus klebriger Watte. Wenn man sich darin verfängt, sieht man nichts mehr.«
Ohne dass sich irgendetwas im Raum verändert hätte, starrte er jetzt auf die Wand, als hätte er dahinter das Tor zur Hölle entdeckt.
Ann Kathrin blieb länger bei ihm, als sie vorgehabt hatte. Am liebsten hätte sie eine psychologische Betreuung für ihn organisiert, doch er lehnte ab, wollte allein sein und sich hinlegen.
»Die Welt«, raunte er, »ist mir zu viel. Ich w