Kapitel 3
Ryan
Nicole Prescott. Als ich in den Ort gefahren bin, um ein paar Besorgungen zu machen, hätte ich niemals erwartet, ausgerechnet ihr über den Weg zu laufen.
Dann habe ich sie sichtlich betrunken aus demPorthole Inn stolpern sehen. Sie hat toll ausgesehen. Natürlich. Das war schon immer so. Sie hat ein lässiges Shirt getragen, von dem ein Zipfel vorn in ihrer Jeans steckte und das ihre atemberaubenden Rundungen betonte. Ihr Haar war völlig zerzaust, aber ich habe die ganze Zeit nur daran denken müssen, dass es nach einer langen Liebesnacht genau so aussehen würde.
Toll. Ich laufe meiner Sandkastenfreundin über den Weg und stelle sie mir sofort nackt in meinem Bett vor. Ich sollte mir so was nicht vorstellen. Nicht mit Nicole. Und auch mit keiner anderen Frau.
Ich habe sie vor drei Jahren zuletzt gesehen, und damals hat sie mich gar nicht wahrgenommen. Wir waren in einem Café in Seattle, und sie hat durch mich hindurchgesehen. Kein Funken des Wiedererkennens. Ich wollte sie anlächeln und Hallo sagen, vielleicht mit ihr über alte Zeiten plaudern. Sie war allein. Der großkotzige Jason war nirgends zu sehen. Doch ihr Blick ist über mich hinweggeglitten, als wäre ich unsichtbar. Ich habe vor Überraschung keinen Ton herausgebracht. Nicht dass ich erwartet hätte, dass sie mir um den Hals fällt, aber verdammt, wir kannten uns seit Kindheitstagen. Andererseits hat sie mich vielleicht nur nicht erkannt, immerhin habe ich mich äußerlich doch ziemlich verändert.
Als ich den Restaurantparkplatz verlasse, wünschte ich, Melissa wäre nicht aufgetaucht. Nein, es ist gut, dass sie aufgetaucht ist. Nicole war beschwipst. Und die Art, wie sie mich angesehen hat, war eindeutig. Grund genug, sofort zu verschwinden. Das Letzte, was ich brauche, ist eine Affäre mit einer Frau aus dem Ort. Oder überhaupt mit einer Frau.
Normalerweise achte ich nicht weiter auf den lokalen Tratsch, doch sogar ich habe mitbekommen, dass Nicole zurück ist. Ich werde meine Mutter fragen, warum. Sie weiß bestimmt mehr darüber. Ich überlege, ob es etwas mit dem Vollhonk zu tun hat. Vielleicht hat sie Jason ja verlassen.
Ich mache mir aber keine allzu großen Hoffnungen. Als Nicole und Jason auch das gesamte Studium über ein Paar geblieben sind, habe ich meine Hoffnungen begraben. Dachte, die beiden würden heiraten und kleine blonde Jason-Klone in die Welt setzen. Zumindest nach außen hin schien sie glücklich zu sein. Wir hatten als kleine Kinder zusammen gespielt, in der Pubertät waren wir dann auseinandergedriftet. Ich war so ein schlaksiger Spargeltarzan, bei dem der Bartwuchs erst mit neunzehn einsetzte. Sie hingegen war schon früh zur Frau herangereift und bescherte allen Jungs feuchte Träume.
Niemand war überrascht, als sie und Jason ein Paar wurden, aber auch wenn ich nicht genau sagen konnte, warum, hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass die beiden nicht wirklich zueinanderpassten. Damals waren wir unserer Sandkastenfreundschaft bereits entwachsen, wie das häufig der Fall ist bei Leuten, die so verschieden sind. Ich war nicht direkt eifersüchtig. Nicole war verdammt heiß, und ich hatte oft an sie gedacht, während ich mich befriedigte. Aber Jason war ein Großmaul und sie war viel zu gut für ihn. Leider hatte ich in der Sache nichts zu melden.
Und jetzt ist sie zurück. Ihrem verschmierten Make-up nach zu urteilen, hat sie geweint. Eigentlich sollte es mir egal sein. Nicole ist nicht mein Problem.
Ich habe genug eigene Probleme. Im Augenblick komme ich klar, und das soll auch so bleiben.
Und doch hat ihr Anblick genügt, um