: Mary Ann Fox
: Je stiller der Tod Ein Cornwall-Krimi
: Aufbau Verlag
: 9783841227690
: Mags Blake
: 1
: CHF 7.30
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Mistel, Mord und Marzipan.

Die junge Gärtnerin Mags Blake freut sich auf Weihnachten mit ihrer Familie und auf heimelige Stunden vor dem Kamin. Kurz vor dem Fest möchte ein Fotograf mit seinem Team für ein Magazin Aufnahmen des Gartens machen, den Mags in ein wahres Winterwunderland verwandelt hat. Doch dann bricht ein Schneesturm über Cornwall herein, das Cottage ist eingeschneit. Schöne Bescherung! Mags nimmt es mit Humor - bis sie im Schnee über die Leiche des Fotografen stolpert. Die Polizei wird Stunden brauchen, um zum Cottage zu gelangen. Muss Mags den Mörder unter ihren Gästen suchen?

Ein Schneesturm im malerischen Cornwall - und ein gefährliches Weihnachtsfest für die junge Gärtnerin Mags Blake.



Mary Ann Fox, geboren 1978, verdiente ihr erstes Geld in einer Gärtnerei. Der Liebe wegen ging sie nach England und arbeitete dort als Fremdenführerin, als Deutschlehrerin und dann im Botanischen Garten in Oxford. Sie lebt mittlerweile wieder in Hamburg und träumt von einem eigenen Garten, in dem sie das Meer rauschen hören kann. Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Kriminalromane »Je tiefer man gräbt«, »Je dunkler das Grab«, »Je kälter die Asche«, »Je länger die Nacht«, »Je höher die Flut« und »Je lauter der Sturm« lieferbar.

1


Einige Tage zuvor

»Ich weigere mich, eine versnobte Fotografin durch mein Haus laufen zu lassen. Und dann noch an Weihnachten. Nein, nein, nein!«

Mags Blake saß in der Küche ihres Cottages, holte tief Luft und wollte gerade erneut ansetzen, als sie den Fehler machte, in Cynthias Gesicht zu sehen. Cynthia Collins, eine Freundin aus Kindheitstagen und Besitzerin eines der schönsten und größten Gartenfachgeschäfte in Cornwall, hatte große, strahlend hellblaue Augen. Schon zu Schulzeiten hatte sie diese innerhalb von Sekunden von Tränen überschwemmen lassen können und war damit bei Lehrern und den Jungs ziemlich erfolgreich gewesen. Auch Mags merkte, wie sie kurz weich wurde, riss sich dann aber wieder zusammen und schüttelte den Kopf.

»Darauf falle ich nicht rein, Cynthia. Spar dir deine Krokodilstränen für jemand anderen auf. Ich will einfach nicht, dass fremde Leute durch mein Zuhause trampeln.«

Cynthia blinzelte die Tränen weg und richtete sich auf. Innerhalb von Sekunden war sie nun wieder ganz die Geschäftsfrau. Mags musste lächeln. Niemand machte den Fehler, Cynthia zweimal zu unterschätzen.

Vor dem Fenster war der November mit all seinem Regen und Wind in Rosehaven eingezogen und hatte die letzten Blätter endgültig von den Bäumen gerissen. Der Herbst lag hinter ihnen, sonnig und warm wie in einem Bilderbuch war er gewesen. Mags hatte jede freie Sekunde in dem Garten ihres neuen Cottages verbracht und ihn zu neuem Leben erweckt. Wobei erst die nächsten Jahre zeigen würden, ob sie damit erfolgreich gewesen wäre.

Als ihr Mann Sam sie im Mai zu dem leer stehenden Cottage gebracht hatte, war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Und wie durch ein Wunder gehörte es nun ihnen. Nun ja, eigentlich der Bank, der sie den dicken Kredit abgerungen hatten, unter Einsatz von Sams Ersparnissen und mit der Auflage, auch Mags’ Geschäft, den Evergreen Gartenservice in den zum Cottage zugehörigen Nebengebäuden unterzubringen. Aber ihre beiden Namen standen am Briefkasten oben an der Straße. Und Mags’ erklärtes Ziel war es, Haus und Garten mit jedem Handgriff zu etwas ganz Besonderem zu machen.

Die Küche war für ein altes Cottage erstaunlich groß, einer der Vorbesitzer hatte behutsam einige Wände entfernt und so mehr Platz geschaffen. Prunkstück der Küchenzeile war ein großer altmodischer Gasherd, dessen Armaturen kupferfarben glänzten. Was aber nicht eifrigem Putzen zu verdanken war, sondern eher der Tatsache, dass weder Mags noch ihr frisch angetrauter Ehemann Sam sonderlich oft kochten.

Ihnen reichte es völlig, das Gemüse aus dem Garten mit etwas Öl in den Backofen zu schieben und dazu Käse und Brot zu essen. Da das Brot meist frisch aus dem Ofen von Mags’ väterlichem Freund und Vertrauten Jim kam, war es allein schon ein Genuss. Und der Käse kam vom Hof der Stones, die seit Jahr und Tag aus der dicken cornischen Milch einen cremigen Cottage Cheese und einen würzigen Hartkäse herstellten. Schlicht, aber äußerst köstlich. Die vor einigen Jahren plötzlich auflodernde Begeisterung der Touristen für gutes Essen und regionale Produkte hatte viele der kleinen Höfe in Cornwall gerettet. Mags war sehr dankbar dafür, da es dem Dorf Rosehaven, das in einer Bucht am Übergang des Helford River zum Meer lag, neue Perspektiven bot. Und alles, was dafür sorgte, dass vor allem junge Menschen sich wieder ein Leben in Cornwall vorstellen konnten, war gut.

In der Ecke des Raumes stand ein kleiner Bollerofen, den Mags am Morgen angeheizt hatte. Das Cottage verfügte über eine Zentralheizung, und würde es noch einige Grad kälter werden, müssten sie sie auch benutzen. Aber da es draußen trotz Sturm und Regen immer noch über zehn Grad waren, reichte die behagliche Wärme der im Haus verteilten Öfen und des Kamins im Wohnzimmer aus.

Auf dem Küchentisch, dessen Holzplatte die Spuren jahrzehntelanger Nutzung trug, lag ein dickes, in grünes Leder gebundenes Buch. Mags’ Gartenbuch. Bevor Cynthia wie ein Wirbelwind durch die Küchentür hereingestürmt war, war Mags damit beschäftigt gewesen, ihre Notizen des vergangenen Sommers zu übertragen. Gartenbücher hatten eine lange Tradition, die Mags fortzuführen gedachte. Sie vermerkte Grundrisse des Gartens, eigene Zeichnungen, notierte Wetter und Regenmengen. Sie vermerkte, welche Pflanzen sie wann gesetzt hatte, und führte penibel Buch über Erfolge und Misserfolge. Natürlich hatte sie auch mit modernen Methoden die Beschaffenheit und Zusammensetzung des Bodens untersuchen lassen. Zumindest den pH-Wert sollte jeder Gärtner kennen, um dann sinnvoll damit arbeiten zu können. Wobei Mags zugegebenermaßen ein Griff in die Erde, ein Gespür für ihre Konsistenz und ihren Geruch ebenso viel verriet.

Cynthia versuchte es erneut.

»Aber dein Cottage ist perfekt dafür! Deine Möbel, die farbigen Wände und die alten Böden, dazu ein verschneiter Garten mit einem vereisten Bach und schneebedeckte Weiden. Und wenn ich dann noch meine Deko und den phantastischen Baum und …«

»Cynthia! Draußen regnet es. Seit Tagen! Und wir hatten in Cornwall seit Jahren keinen Schnee mehr zu Weihnachten. Mein Garten ist ein einziger Matschhaufen, und im Haus gibt es mehr Baustellen als fertige Räume.«

Mags und Sam waren bei Weitem nicht mit der Renovierung fertig. Sam arbeitete an seiner immer erfolgreicher verlaufenden Karriere als Autor von Kinder- und Jugendbüchern, und Mags’ erfolgreiches Unternehmen, der Evergreen Gartenservice, beanspruchte sie eigentlich durchgehend. Sie hatte sich auf die Neuanlage von Gärten und auf die Pflege der Gärten der unzähligen Ferienhäuser der Region spezialisiert. Außerdem hatte sie zusammen mit dem bekannten Landschaftsarchitekten Gulliver mehrere neue Aufträge an Land gezogen, was phantastisch war, aber noch mehr Arbeit bedeutete. Innerhalb von zwei Jahren war ihr kleines Ein-Frau-Unternehmen auf einen Betrieb mit vier Angestellten und einem Dutzend Aushilfen angewachsen.

»Ach was, das bekommen wir schon hin! Und die Fotografin – die übrigens Lea heißt und die Cousine einer Freundin ist, und zwar überhaupt nicht versnobt, sondern äußerst reizend – kann heutzutage doch eh alles Mögliche anstellen, damit die Bilder hinterher perfekt aussehen.«

Mags war noch nicht überzeugt.

»Ich wohne hier nicht alleine. Sam wird sicherlich …«

Ein Fehler. Sie konnte es an dem Blitzen in Cynthias Augen sehen.

»Oh, mit Sam habe ich schon gesprochen. Er findet die Idee wunderbar und meinte, ein solcher Artikel wäre eine tolle Werbung für ihn und seine Bücher.«

Mags schloss die Augen. Wie konnte ein einzelner Mensch, der so unschuldig aussah wie Cynthia, sie nur innerhalb von Sekunden so umzingeln und überwältigen? Und warum zum Teufel hatte Sam einfach so zugestimmt? Dann dachte sie an Cynthias Trick mit den großen feuchten Augen. Dagegen war ihr Mann sicherlich nicht immun gewesen. Sie hätte ihn vor Cynthia eindringlicher warnen müssen. Verdammt!

»Und für dein Unternehmen ist es ja auch eine tolle Werbung, noch dazu kostenlos. Und ein Honorar bekommst du mit dazu. Sieh es als Weihnachtsbonus.«

»Werbung ist gut, aber …«

Cynthia wusste, dass sie Mags fast am Haken hatte, und zog ihren letzten Trumpf aus der Tasche. Ihre Stimme schnurrte.

»Und ich gebe dir für das gesamte nächste Jahr einen Rabatt im Laden.«

Mags wusste, dass sie verloren hatte. Cynthias Gartengeschäft war für sie so etwas wie die Schokoladenfabrik von Willy Wonka für eine ganze Generation von Kindern. Sie konnte den Pflanzen dort einfach nicht widerstehen.

»Ich will dreißig Prozent. Auf alles!«

»Pffft, in deinen Träumen! Fünf.«

Jetzt war es an Mags, sich zurückzulehnen und ihre Freundin anzulächeln.

»Dann kannst du dir für dein Projekt ein anderes romantisches Cottage suchen.«

»Na gut. Zehn.«

»Fünfzehn – und ich habe bei der Innendekoration des Cottages ein Vetorecht gehen kitschige Engel und alles, was lila ist.«

Cynthia dachte nach und lächelte dann.

»Okay. Fünfzehn Prozent. Und ich werde dir keine lilafarbenen Engel an den Baum hängen. Obwohl …«

Bevor Cynthia ihren Satz zu Ende sprechen konnte, war aus dem Flur ein lautstarkes Poltern zu hören,...