Freitag
Thybster
Das Schaf war tot. Der Regen hatte das Blut, das aus der aufgeschnittenen Kehle geflossen war, in den weichen Boden gespült. Noch immer tröpfelte leichter Nieselregen auf das Fell. Der Mai war kalt und feucht. Douglas MacKeith starrte auf das tote Tier zu seinen Füßen. Es lag auf der Seite, die Klauen hatten die Erde aufgewühlt, ein Vogel hatte dem Schaf ein Auge ausgepickt. Der Geruch von Dung und nasser Wolle hing in der Luft.
»Wer macht so etwas?« Tiefe Furchen bildeten sich im Gesicht des Sechzigjährigen. Er war groß, sein Körper drahtig, mit sehnigen Muskeln von der jahrelangen harten Arbeit. Der Wind strich durch sein graues Haar und den kurzen Bart aus schwarzen und grauen Stoppeln. Die braunen Augen blickten betrübt auf das Elend.
»Ich hab dich sofort angerufen, als ich es entdeckt habe.« Conor Greenless war ebenso alt wie Douglas. Sie kannten sich seit Kindertagen. Der Mann stand neben ihm, die Hände in den Taschen seiner verschlissenen Waxcotton-Jacke vergraben, die Schultern hochgezogen. Er war kleiner, leicht untersetzt, Wangen und Nase waren gerötet und von Äderchen durchzogen. »Eine Sauerei ist das, eine elende Sauerei.«
Douglas’ Blick schweifte über die Weide, die in leichten Wellen bergab bis zur Kante der Klippen verlief. Die Herde graste in sicherer Entfernung. Kleine Grüppchen – Mutterschafe mit ihren Lämmern. In der Ferne sah er auf dem Pentland Firth die Fähre von Scrabster zu den Orkneyinseln übersetzen. Möwen ließen sich vom Wind tragen und kreischten hoch über ihren Köpfen.
»Kannst du mal mit anpacken?«
»Was willst du machen?«
»Ich kann sie nicht hier liegen lassen.« Douglas deutete mit dem Kopf auf seinen in die Jahre gekommenen Land Rover.
Gemeinsam hievten sie das tote Schaf auf die Ladefläche.
»Du solltest das anzeigen«, riet Conor ihm.
»Und dann?« Douglas schnaufte abfällig. »Irgendwelche besoffenen Rowdys haben sich einen üblen Spaß erlaubt. Ich find schon raus, wer’s war, und dann wird er die Rechnung dafür bekommen.«
Conor sah ihn stirnrunzelnd an.
»Danke, dass du mir gleich Bescheid gegeben hast.« Fleisch und Fell würde er nicht verwerten können, aber ein totes Tier beunruhigte die Herde. Und Stress war nicht gut für seine Schafe. Douglas öffnete die Wagentür, und Trevor sprang heraus. Der schwarz-weiß gefleckte Border Collie trippelte aufgeregt hechelnd um ihn herum. »Ich dreh eine Runde, muss schauen, ob der Rest der Herde okay ist.«
»Soll ich dich begleiten?«
»Nein, lass gut sein.«
Douglas sah Conor hinterher, der in seinen alten Nissan stieg und über die holprige Weide davonfuhr. Er klopfte kurz an sein Hosenbein, sodass der Hund an seine Seite trabte, und begann seinen Rundgang.
Aberdeen
Aberdeen Airport empfing Kimberly Hart mit strömendem Regen. Sie wartete am Gepäckband auf ihren rot-schwarzen Rucksack, hievte das Ungetüm vom Band auf ihren Rücken und durchlief die Passkontrolle. So weit war alles wie immer.
Es war nicht ihr erster Flug, und sie war nicht zum ersten Mal im Ausland. Aber dieses Mal war sie ohne Begleitung unterwegs, und niemand stand mit einem Namensschild in der Ankunftshalle, um sie willkommen zu heißen und zu ihrem Hotel zu bringen.
Etw