: Mark Aldanow
: Der Anfang vom Ende Roman | Ein Meisterwerk der Weltliteratur - zum ersten Mal auf Deutsch
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644015555
: 1
: CHF 33.00
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 688
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mark Aldanow erzählt in diesem großen Gesellschaftsporträt mit Ironie und Scharfsinn von einem Epochenbruch, wie wir ihn fast hundert Jahre später wieder erleben. Hauptschauplatz ist das Paris Ende der 1930er Jahre, der «Anfang vom Ende» des alten Europa liegt in der Luft. Die Geschichte beginnt in einem Zug von Moskau Richtung Berlin. Ein sowjetischer Botschafter befindet sich auf dem Weg in den Westen, um eingefrorene diplomatische Beziehungen wiederaufzunehmen. In seiner Begleitung befinden sich u.a. ein alter Militär, ein Berufsrevolutionär, der mit sich und seiner kommunistischen Vergangenheit zu hadern beginnt, sowie eine linientreue Botschaftssekretärin mit schriftstellerischen Ambitionen. In Paris kämpft derweil ein berühmter französischer Autor mit dem Stoff für seinen neuen Roman, während sein junger Sekretär einen Mord wie aus einem Dostojewski-Roman plant. Die unterschiedlichsten Schicksale treffen aufeinander in diesem kunstvoll komponierten Roman, in dem die drängenden Fragen jener Jahre verhandelt werden: Macht und Ohnmacht der Demokratie, die geistige Verwandschaft von Kommunismus und Faschismus, der Zusammenhang von Nationalismus und Diktatur, die Bedeutung von Kunst, der Verfall humanistischer Werte.  Nach Aldanows Flucht in die USA  erschien der Roman 1943 zunächst in englischer Übersetzung. Ausgezeichnet als 'Book of the Month' in der NYT Book Review wurde er auf Anhieb ein Bestseller und stieß auf ein begeistertes Echo bei Kritikern und Lesern. Mark Aldanow war dreizehn Mal für den Nobelpreis nominiert, darunter sechs Mal von Iwan Bunin. «Was Aldanows Buch heute so aktuell macht, ist dieses Gefühl der absoluten moralischen Katastrophe, die über Russland hereingebrochen ist, das Gefühl des

Mark Aldanow, 1886 als Mark Alexandrowitsch Landau in Kiew geboren, entstammte einer jüdischen Industriellenfamilie. Er arbeitete nach dem Studium zunächst als Chemiker, wandte sich aber schon ab dem Ende des Ersten Weltkrieges der Schriftstellerei zu. 1919 emigrierte Aldanow nach Frankreich und lebte bis 1940 in Paris. Kurz vor der Besetzung durch die Wehrmacht emigrierte er über Nizza in die USA. 1947 kehrte er nach Nizza zurück, wo er 1957 starb. In der Emigration schrieb Aldanow 14 Romane, Erzählungen, zahlreiche Essay sowie ein Drama. Mit seinem Romanzyklus 'Der Denker', der zwischen 1923 und 1927 in russischen Exilverlagen in Paris erschien, machte Aldanow sich einen Namen als Verfasser historisch-philosophischer Romane. Sein Roman 'Der Anfang vom Ende' erschien 1943 in New York zunächst in englischer Übersetzung unter dem Titel 'The Fifth Seal' und wurde von der Redaktion der New York Times Book Review als Buch des Monats ausgezeichnet. Aldanow wurde dreizehn Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen, darunter sechs Mal von Iwan Bunin. Als Redakteur russischer Exilzeitschriften führte Aldanow eine umfangreiche Korrespondenz mit Literaten und Politikern wie Vladimir Nabokov, Iwan Bunin unde Alexander Kerenski. 

Am Abgrund


Vorwort von Sergej Lebedew

Der Zerfall derUDSSR, politisch geregelt im Belowescher Abkommen von 1991, löste, so könnte man sagen, eine Lawine aus, einen Erdrutsch an Entwertungen.

Buchstäblich alles Vergangene – Geld, Ideen, staatliche Symbole, Auszeichnungen, das ganze Pantheon der Sowjetsymbole – verlor seinen Wert und wurde bedeutungslos.

Die sowjetischen Rubel wurden zu wertlosem Papier; die Porträts und Denkmäler der Führer verwandelten sich in Müll; Marschallsuniformen und hohe Orden wurden auf Flohmärkten feilgeboten.

Aber das vielleicht Interessanteste und Erstaunlichste widerfuhr der Literatur, den Büchern. Ich erinnere mich daran, wie sich einige Jahre lang Bücherstapel neben den Müllcontainern türmten, Bücher, die aus den häuslichen Bibliotheken geworfen wurden, weil sie überflüssig geworden waren. Gesamtausgaben von Lenins Werken und die Klassiker des sozialistischen Realismus, gestern noch eindrucksvoll und imposant, edel ausgestattet, Macht verkörpernd, lagen jetzt durchnässt und durchgeweicht im Regen. Niemand bückte sich nach ihnen, trug sie ins Haus – im Gegenteil, es wurden immer mehr, manche wurden verschämt in der Nacht gebracht, andere am helllichten Tag.

Wenn es damals in Russland eine Revolution gegeben hat, dann war es eine Revolution in den Bücherregalen.

Und an den U-Bahnhöfen, an belebten Straßenecken, in der Nähe von Geschäften und an Bushaltestellen tauchten wie aus dem Nichts Bücherstände auf: Es wurdenneue Bücher verkauft.

Schlecht gebunden, gedruckt auf schlechtem, minderwertigem Papier, dem Papier der kargen Zeiten, besaßen diese Bücher mit ihren blassen oder verschmierten Buchstaben, die heimlich mit der Schreibmaschine abgetippten Samisdatausgaben ähnelten, eine besondere Qualität. Wichtig an diesen schlichten, ärmlichen Büchern war nicht die Aufmachung, der Einband, sondern der reine Text.

Eine Art zweite Geburt der Literatur fand statt. Die Bücher der Ausgestoßenen kehrten zurück, die Bücher der Geflohenen, die Bücher der Emigrierten. Aus der Versenkung tauchten die weggesperrten und die einst von der Zensur verstümmelten Werke auf. Veröffentlicht wurden die zuvor verbotenen und unbekannten Bücher – und es schien damals, dass, wenn so viele wahre Worte gleichzeitig gedruckt und gelesen werden, es keine Rückkehr in die schreckliche Vergangenheit mehr geben konnte.

Dies, so schien es, war das Ende vom Ende, der letzte Akt des historischen Dramas, das Russland im 20. Jahrhundert durchlebte.

 

Bei uns zu Hause wurden die Bücher nicht weggeworfen, sondern aufs Land verbannt, wo sie auf dem Dachboden der Datscha ihr Dasein fristeten und ihrem Ende entgegensahen.

Ihren Platz in den Regalen nahmen neue ein, aber der Platz reichte nicht aus, und meine Eltern besorgten sich irgendwo ausrangierte Schränke. Ich verstehe bis heute nicht, aus welchen Mitteln die Bücher gekauft wurden, denn die Geldentwertung schritt rapide voran, und die Löhne wurden nur noch unregelmäßig gezahlt; die Bücher schienen sich von selbst einzufinden und den Rückstand von siebzig Jahren aufholen zu wollen.

Ich kannte weder Titel noch Namen, ich griff wahllos nach dem einen oder anderen und las aufs Geratewohl; es war, als würde ich bei einem Festgelage von Erwachsenen heimlich ein Glas Wodka trinken: Erschrecken, quälendes Verlangen, Schwindel, ein Nebelschleier von Worten und Bedeutungen.

Und dann brachte mein Vater eines Tages eine weitere Novität mit und stellte sie ins Regal, ein Hardcover mit Schutzumschlag.

Mark Aldanow.

«Der Anfang vom Ende».

Darunter eine geschwungene Vignette mit dem Schriftzug:Erscheint erstmals in Russland.

 

Darin, wie ein Buch seinen Leser findet, wie es zum Lesen einlädt, liegt etwas Geheimnisvolles und Intimes, es geschieht dies in einem Spannungsfeld seltsamer Spiele, wo sowohl komische Momente als auch schicksalhafte Anziehungskraft ihren Platz haben.

In diesem Fall gab es ein komisches Moment.

Meine Eltern waren Geologen und hatten mehrere Jahre lang im Aldan gearbeitet, so heißt ein riesiges Hochgebirge in der Taiga Ostsibiriens, ein Gebiet mit Permafrost und Gulag-Lagern.

Und ich dachte, dass der Autor, Aldanow, von dort stammte, dass das ein Buch über die Taiga und Abenteuer à la Jack London wäre – leichter und zugänglicher als so schleierhafte und unnahbare Schriftsteller wie Nabokov oder Samjatin.

Natürlich stellte sich schon nach den ersten Seiten heraus, dass das Unsinn war, ein Irrtum, aber das Buch hatte mich bereits gepackt und ließ mich nicht mehr los, es hatte mir diese Kopfnuss verpasst, diese Formel ins Bewusstsein gepflanzt:Der Anfang vom Ende.

Der Titel ging mir nicht mehr aus dem Kopf und bot sich beharrlich als bitteres Motto der Epoche an:Der Anfang vom Ende.

Und es war auch schon eine andere Zeit.

Die russische Armee führte bereits ein halbes Jahr Krieg in Tschetschenien.

Im Winter hatte es den Sturm auf Grosny gegeben, der die Stadt in verkohlte Ruinen verwandelt hatte. Auf den Straßen ausgebrannte Pan