Einige Wochen zuvor
»Ein Sabbatical.«
Das Geräusch des Stiftes, der in regelmäßigen Abständen auf die Tischplatte knallte, schmerzte in Ninas Ohren. Tocktocktock. Iovannas geballter Unmut lag in diesem Geräusch. Tocktocktocktock.
Iovanna selbst blickte zum Fenster hinaus, in die Berliner Sommerhitze. Es war Juni, aber die Stadt bereits verdorrt. An den Bäumen hingen Zettel, von Kinderhand gekritzelt:Bitte gieß mich, ich bin dein Freund. Das Gras darunter gelb, von der Sonne und dem Urin der Stadthunde. Der Asphalt glühte und schwitzte. Wenn Nina am Morgen mit dem Fahrrad über die Invalidenstraße zur Arbeit in die Charité fuhr, sich ein morgendliches Rennen mit Lastenrädern und Fixies und Gravel Bikes lieferte, dann spürte sie, wie die Straße zu brennen begann. Auf dem Nachhauseweg war die Hitze unerträglich.
Noch drei lange Monate Sommer. Noch drei Monate jeden Tag zur Arbeit fahren. Fast jeden Tag. Und auf den Sommer folgte der Herbst, ein nasser, dunkler und garstiger Berliner Herbst, der einen auf den Winter einstimmte. Und wieder von vorn.
Seit vier Jahren fuhr Nina auf dieser Strecke am Morgen in die Charité, oft auch nachts, oder im Morgengrauen nach den langen Schichten. Zehn Minuten nur, von ihrer Wohnung in der Ruppiner Straße bog sie auf die Rennstrecke in die Bernauer ein, vorbei an Mauerresten, Nordbahnhof und Naturkundemuseum, und schon war sie da. Du hast es gut, sagte Jan, ich muss jeden Tag nach Babelsberg, was jammerst du? Ich verstehe dich nicht.
Iovanna verstand sie auch nicht, Nina glaubte, dass niemand verstand, was sie fühlte, wie es ihr ging, außer vielleicht Doktor Ullrich, der sich Zeit nahm, ihr zuhörte und seine Stirn in Falten legte.
»Ich brauche einfach eine Auszeit«, hörte sie sich sagen.
Iovanna schaute sie an, ihre Mundwinkel zuckten, und sie brauchte es nicht auszusprechen, ja, sie hütete sich, es auszusprechen, sie nahm sich zusammen, Nina sah ihr an, dass Iovanna ihr lieber ein schlechtes Gewissen gemacht hätte: Für wen hältst du dich, wir sind alle d