: Linda Castillo
: Wenn die Nacht verstummt Thriller | Kate Burkholder ermittelt bei den Amischen: Band 3 der SPIEGEL-Bestseller-Reihe
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104019871
: Kate Burkholder ermittelt
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sie leben wie vor hundert Jahren. Sie sind gottesfürchtig und rechtschaffen. Doch auch sie trifft der Hass. Der dritte Band der Bestseller-Serie über die Amisch-Gemeinde in Painters Mill Die Eltern waren rechtschaffene Leute, gottesfürchtig und in der Amisch-Gemeinde von Painters Mill sehr angesehen. Doch nun liegen sie tot in der Güllegrube. Schlimmer noch: Der Vater, Solomon Slabaugh, wurde ermordet. Warum wollte der Mörder die Familie zerstören und die vier Kinder zu Waisen machen? Oder stehen diese Morde in einem Zusammenhang mit den Tätlichkeiten gegen Amische, die in letzter Zeit immer häufiger vorgekommen sind? Für Polizeichefin Kate Burkholder hat dieser Fall höchste Priorität und gemeinsam mit ihrem Freund John Tomasetti kommt sie einem dunklen Geheimnis auf die Spur, das die Idylle der kleinen Amisch-Gemeinde in Painters Mill für immer zerstören wird.

Linda Castillo wuchs in Dayton im US-Bundesstaat Ohio auf, schrieb bereits in ihrer Jugend ihren ersten Roman und arbeitete viele Jahre als Finanzmanagerin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit »Die Zahlen der Toten« (2010), dem ersten Kriminalroman mit Polizeichefin Kate Burkholder. Linda Castillo kennt die Welt der Amischen seit ihrer Kindheit und ist regelmäßig zu Gast bei amischen Gemeinden. Die Autorin lebt heute mit ihrem Mann und zwei Pferden auf einer Ranch in Texas.

1.Kapitel


Um Mitternacht begann es zu regnen. Kurz darauf riss der einsetzende Wind die letzten Blätter von den Ahornbäumen und Platanen und fegte sie wie kopflose Krebse über die Main Street. In nur einer Stunde war die Temperatur um fünf Grad gefallen, ein Vorbote der Kaltfront aus dem Norden. Morgen früh würde es schneien.

»Scheißwetter.« Roland »Pickles« Shumaker schwang seinen vierundsiebzig Jahre alten Körper in den Streifenwagen und zog etwas zu heftig die Tür zu. Wie ein Anfänger hatte er sich die Nachtschicht aufs Auge drücken lassen, dabei wurde er auch nicht jünger. Aber der verfluchte Skidmore hatte sich krank gemeldet, und die Chefin hatte ihn gebeten, für seinen Kollegen einzuspringen. In dem Moment war die Vorstellung, um vier Uhr morgens in Painters Mill rumzufahren, noch ganz nett gewesen, doch jetzt zweifelte er an seinem Verstand.

Früher war das anders gewesen, da hatte er die Nachtschicht geliebt. Denn wenn es dunkel war, kamen die Unruhestifter aus ihren Löchern gekrochen wie Vampire auf der Suche nach Blut. Fünfzig Jahre lang hatte er auf den nicht ganz so gefährlichen Straßen dieser Stadt patrouilliert, wobei sein Polizistenherz stets hoffte, dass irgendein Depp wenigstens ein bisschen das Gesetz übertrat und er aktiv werden konnte.

Doch in letzter Zeit brachte er kaum noch eine Acht-Stunden-Schicht hinter sich, ohne von seinem Körper daran erinnert zu werden, dass er nicht mehr vierundzwanzig war. Entweder schmerzte der Rücken, der Nacken, oder die verdammten Beine taten weh. Herr im Himmel, alt werden war ein Fluch.

Beim Blick in den Spiegel starrte ihm ein schrumpliger Mann mit blödem Gesichtsausdruck entgegen, und jedes Mal dachte er:Wie zum Teufel ist das denn passiert? Er hatte nicht die leiseste Ahnung. Nur in einem war er sich sicher, nämlich dass die Zeit ein hinterlistiger Mistkerl war.

Er bog gerade in die Dogleg Road ab, als das Funkgerät knisternd zum Leben erwachte. »Pickles, bist du da?«

Es war Mona Kurtz, die nachts in der Telefonzentrale arbeitete. Mona war eine quirlige junge Frau mit roten Ringellocken. Sie trug Kleider, die der Chefin bestimmt Albträume bereiteten, und hatte das Temperament eines überdrehten Cola-Freaks. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wollte sie Polizistin werden. Pickles hatte noch nie eine Polizistin mit schwarzen Strümpfen und Stöckelschuhen gesehen – höchstens vielleicht als verdeckte Ermittlerin. Er bezweifelte, dass Mona für die Polizeiarbeit geschaffen war, sie schien ihm zu jung und zu wild und zu sehr mit dem Kopf in den Wolken. Er hatte sowieso eine eigene Meinung, was Polizistinnen betraf, doch die war nicht gerade populär, und so hielt er lieber den Mund.

Für die Chefin zu arbeiten war natürlich kein Problem. Zwar hatte er anfangs seine Zweifel gehabt – eine Frau und noch dazu eine ehemalige Amische –, doch über die letzten drei Jahre hatte Kate Burkholder sich als verdammt fähig erwiesen. Sein Respekt für sie hatte allerdings wenig dazu beigetragen, an seiner Meinung über Frauen im Polizeidienst zu rütteln.

Er nahm das Funkgerät. »Wo zum Teufel soll ich denn sonst sein?«, knurrte er.

»Skid ist dir echt was schuldig, wenn er zurückkommt.«

»Da hast du verdammt recht. Der Hurensohn lässt sich wahrscheinlich gerade volllaufen.«

In den letzten beiden Nächten hatten Mona und er über Funk Smalltalk betrieben, hauptsächlich um die Monotonie des Polizeialltags in einer Kleinstadt zu durchbrechen. Heute war sie jedoch ziemlich wortkarg, woraus Pickles schloss, dass sie irgendetwas auf dem Herzen hatte. Weil sie bestimmt bald damit rausrücken würde, wartete er.

»Ich hab mit der Chefin geredet«, sagte sie kurz darauf.

Pickles verzog das Gesicht. Mona tat ihm leid, denn die Chefin würde ihr