: Dora Heldt
: Schnee ist auch nur hübschgemachtes Wasser Wintergeschichten
: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
: 9783423432757
: 1
: CHF 8.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Wo geht's denn hier zum Schnee?« Dora Heldt nimmt uns mit in ihre Winterwelt und erzählt in heiterem Ton, warum Ela jetzt Manu heißt, am 23. Dezember manchmal ein hässlicher Hund gesucht werden muss und warum kleine dickliche Jungen im Engelskostüm gar nicht unbedingt süß sind. Herrliche Geschichten rund um die Zeit des Schneematsches, der Glühweinstände und auch der ersten Frühlingsgefühle - das »Must-have« für Dora Heldt-Fans. Und alle, die es werden wollen.

Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, hat sich mit ihren Romanen und Krimis auf die Spitzenplätze der Bestsellerlisten und in die Herzen von Millionen von Leserinnen und Lesern geschrieben. Wie kaum eine andere Autorin in Deutschland kennt sie den Buchmarkt von allen Seiten: Die gelernte Buchhändlerin war über 30 Jahre lang Verlagsvertreterin für einen großen Publikumsverlag. Neben humorvollen Familien- und Frauenromanen (u.a.>Urlaub mit Papa<,>Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt< oder>Drei Frauen am See<,>Drei Frauen, vier Leben<) begeistert sie ihr Publikum mit lustig-skurrilen Sylt-Krimis, Erzählungen und Kolumnen. Die Liebe zu ihrer norddeutschen Heimat ebenso wie die zu den Menschen dort fängt Dora Heldt auf unnachahmliche Weise in all ihren Büchern ein.

Josefines Sehnsucht
nach Schnee


Und jetzt zum Wetter und Verkehr.«

Josefine öffnete ein Auge und wartete gespannt.

»Auch heute erwartet uns wieder ein sonniger Tag mit nur vereinzelten Wolkenfeldern. Höchsttemperaturen von17 bis20 Grad, die Tiefsttemperaturen nachts bei milden12 Grad.«

Sie stöhnte leise. Die muntere Stimme der Radiomoderatorin fuhr fort: »Das ist wirklich ein wunderbarer Altweibersommer und das Beste ist, dass sich dieses Hochdruckgebiet auch noch die nächsten Tage hält. Und jetzt zu den Verkehrsnachrichten …«

Josefine streckte sich, um das Radio auszuschalten. Dann setzte sie sich mühsam auf und blickte auf das gerahmte Foto, das auf ihrem Nachttisch stand. »Guten Morgen, mein Schatz.«

Herbert war schon seit zwanzig Jahren tot, trotzdem galten ihr erster und ihr letzter Satz jeden Tag ihm. Ihrem Mann, mit dem sie fast fünfzig Jahre verheiratet gewesen war. Und der nur sechs Wochen vor ihrer goldenen Hochzeit beim Rasenmähen gestorben war. Mit 75. Eine denkbar blöde Art, sich um das Fest zu drücken, dachte Josefine heute. Herbert hatte Feiern immer gehasst, im Gegensatz zu ihr, aber deswegen fiel man doch nicht einfach so um. Nur, weil ihre zahlreichen Bekannten Wert auf ein großes Fest zur goldenen Hochzeit legten. Und Josefine das damals durchgesetzt hatte. Gegen Hermanns Willen. »Dann kommen sie alle angerannt, in schrecklichen Kleidern, trinken und essen auf unsere Kosten, gehen nicht nach Hause und bringen schreckliche Geschenke mit«, hatte er gesagt. »Es wird furchtbar.«

Er hatte recht behalten. Es war furchtbar gewesen. Weil Josefine statt der roten Rosen dann weiße Lilien bestellt und im selben Gasthof, in dem die goldene Hochzeit stattfinden sollte, die Trauerfeier ausgerichtet hatte. Tatsächlich kamen alle angerannt, sie hatten zwar keine Geschenke dabei, aber es wurde auf Josefines Kosten sehr viel gegessen und noch mehr getrunken. Statt schrecklicher Kleider war die Garderobe aber einheitlich, alle trugen schwarz. Es war lange her.

Langsam schob sie ihre Beine aus dem Bett und wartete einen Moment, bevor sie aufstand. Es ging alles nicht mehr gut. Das Leben war mühsam geworden und langsam mochte sie auch nicht mehr. Aber jetzt musste sie sich ins Bad quälen, sich waschen, kämmen und anziehen, weil heute Jens kam. Der Enkel ihrer verstorbenen Schwester Margarete. Sie wäre vermutlich geplatzt vor Stolz auf diesen hübschen jungen Mann. Aber so hatte sie ihn gar nicht mehr erlebt. Margarete war gestorben, als Jens fünfzehn war. Heute war er zweiunddreißig und kam einmal in der Woche zum Frühstück, brachte ihr die schweren Einkäufe, erzählte lustige Geschichten und aß mindestens drei Brötchen. Josefine fand es nur bedauerlich, dass er allein lebte. Er hätte die Richtige noch nicht gefunden, sagte er jedes Mal, wenn sie ihn fragte. Dabei würde Josefine so gern noch erleben, dass Jens ihr seine Liebe vorstellte. Aber so viel Zeit blieb ihr nicht mehr, ihre Kräfte ließen immer schneller nach. Und es reichte auch langsam. Er müsste sich einfach mal beeilen, sonst wäre sie nicht mehr da.

 

Jens stellte seine Tasse ab und sah sie forschend an. »Was is