Prolog
Lange Zeit habe ich nicht verstanden, wo er hergekommen ist, der kleine Prinz. Er hat mich dauernd ausgefragt, aber wenn ich etwas von ihm wissen wollte, hat er einfach nicht hingehört. Erst nach und nach habe ich mir aus seinen Andeutungen zusammengereimt, was er verschwieg. Zum Beispiel, als er zum ersten Mal mein Flugzeug sah […]
»Was ist das denn für ein Dings?«
»Das ist kein Dings, das kann fliegen. Es ist ein Flugzeug und es gehört mir.«
Ich war stolz darauf, dass ich fliegen konnte.
Da rief er: »Na, so was, du bist also vom Himmel gefallen?«
»Ja«, sagte ich bescheiden.
»Das ist aber lustig …«
Und er fing an, mich auszulachen. Das ärgerte mich, denn ich mag es nicht, wenn man sich über meine Unfälle lustig macht.
Er aber fragte mich weiter aus: »Du kommst also auch aus dem Himmel! Auf welchem Planeten bist du denn zu Hause?«
Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz
Pfingstmontag 2012 leitet die einmotorige Cessna Skyhawk mit dem HeckzeichenPH-SJK über Ouddorp den Sinkflug ein. Eine Minute lang taucht der Pilot unter die Wolkendecke, um Sicht auf die Küstenlinie und den von ihm festgelegten Kurs zu bekommen.
In der Ferne steigt Nebel aus dem Meer. In einer fließenden Bewegung schiebt er sich auf den Strand – so, wie einst die ersten Meerestiere an Land gekrochen sein müssen.
Früher an diesem Morgen – um 10:22 Uhr – hat das Königlich Niederländische Meteorologische InstitutKNMI in seinem Bericht für die Luftfahrt vor dem Zustrom feuchter Luft aus nordwestlicher Richtung gewarnt. Es wird ein strahlender Tag, aber entlang der Küste kann »Dunst aufsteigen, örtlich auch Nebel«.
Die Art von Nebel, die der Pilot vor seinen Augen entstehen sieht, gibt es im Durchschnitt alle zwei Jahre einmal und er heißt Seerauch. Seinen Namen verdankt er der optischen Illusion einer qualmenden Brandung: Die Wellen spritzen nicht normal, sie dampfen wie Teekessel.
Um 11:19 Uhr erreicht das kleine Flugzeug den tiefsten Punkt seines Sinkflugs: 450 Fuß. Ein Fuß ist so lang wie ein Schuh der Größe 47. Um sich die Flughöhe vorzustellen, kann man »Hacke gegen Spitze« einmal 450 Schritte abmessen. Die Entfernung, die man dann erhält, lehnt man wie eine imaginäre Leiter gegen die Wolken und steigt hinauf. Das Ziel ist schnell erreicht.
Sobald der Pilot die Landschaft in sich aufgenommen hat, zieht er das Nasenrad der Skyhawk wieder nach oben. Unter sonorem Brummen beschreibt er eine Kurve in Richtung offenes Meer, um den aufsteigenden Nebel zu umfliegen. Es ist 11:20 Uhr (eine Minute nach dem Tiefflug unter den Wolken), als diePH-SJK über den Bordfunk mit dem Kontrollturm des Rotterdamer Flughafens Kontakt aufnimmt. Der Pilot bittet um Landeerlaubnis über die AnflugrouteHOTEL. Das bedeutet: Im Bogen über die Mündung von Maas und Rhein und dann ostwärts über den Nieu