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Der Nebel hatte sich gelichtet. Für einen Moment war der Himmel voller schwarzer Vögel, als Brasch in die kleine Seitenstraße am Volksgarten einbog. Sie schienen in der Luft stillzustehen, so als wüssten sie nicht wohin; als hätten sie sich verirrt und müssten sich beraten. Im nächsten Augenblick aber tauchten sie in einen großen, noch beinahe kahlen Kastanienbaum herab.
Marga Frankh, Klavierlehrerin stand auf dem großen Messingschild.
Brasch verharrte einen Moment und lauschte. Es war kurz nach zehn. Vielleicht saß Frau Marga Frankh am Klavier, spielte sich warm für den Tag und wusste noch nichts von ihrem Unglück. Oder eine Schülerin stolperte verzweifelt über die Tasten, verhunzte die einfachsten Etüden unter dem strengen Blick ihrer Lehrerin. Doch nichts war zu hören. Das Haus war stumm und schien schon einmal auf Verdacht zu trauern.
Als Brasch auf den Klingelknopf drückte, hörte er ganz entfernt eine altmodische Glocke.
Keine Polizeischule bereitete ihre Absolventen auf die ersten dreißig Sekunden vor, die in Zeitlupe abliefen, sobald man den Angehörigen eines Opfers gegenübertrat. Brasch hatte die unterschiedlichsten Reaktionen erlebt. Manchmal reichte schon sein bloßes Erscheinen, sein Zeigen der Polizeimarke, um einen Menschen in die Hölle zu zerren. Manchmal auch blickte er nur in steinerne, tränenlose Gesichter. Aber im Allgemeinen waren Tränen an der Tagesordnung, Tränen, für die er keinen Trost wusste und gegen die er sich nie wappnen konnte.
Brasch drückte noch einmal auf den Klingelknopf, und dann wurde ihm endlich geöffnet. Zögernd und nachdenklich trat er ein. Er suchte noch nach dem ersten Satz für die ersten dreißig Sekunden. Sobald die schwere Haustür hinter ihm ins Schloss gefallen war, umfing ihn völlige Dunkelheit. Vorsichtig tastete er sich durch den Flur, drei Stufen hinauf. Er roch Leonie, bevor er sie sah. Sie stand in der Tür, die sich plötzlich öffnete, ein paar Schritte rechts von ihm. Das wenige Licht, das aus der Wohnung hinter ihr drang, ließ nur ihr schwarzes Haar aufschimmern; ihr Gesicht konnte er nicht erkennen.
»Hallo, Matthias«, sagte sie leise.
Brasch war so überrascht, dass er auf der Stelle erstarrte. Er machte sich ganz still, hörte ihren beiden Worten nach. Es waren kleine zarte Schmetterlinge, die in der Dunkelheit umherflatterten und wieder verschwanden, weil sie Angst vor dem Licht hatten.
Leonie ging einen Schritt auf ihn zu, als müsse sie ihn in die Wohnung lotsen. Brasch versuchte ihr in einer vertrauten Geste über die Schulter zu streichen, doch da drehte sie sich schon ab.
»Ich habe auf dich gewartet«,