Tanz mit dem Tod
Sanft flüsterte der Wind seine Worte. Er sang eine leise Melodie, die von Leid und Trauer sprach. Die Wipfel der höchsten Bäume schwankten im Takt dazu. Das Licht der langsam sinkenden Sonne flutete die Dächer der Häuser wie der Ausläufer eines feurig roten Meeres. Die strahlenden Fluten fielen über das Land herein, spülten die Finsternis hinfort. Doch schon bald würde der gewaltige Feuerball hinter dem Horizont versinken und alle Helligkeit mit sich in die Tiefe reißen. Die letzten Minuten des Abends brachen an, bevor die Nacht alles Leben in sich verschlang.
Die längsten Tage waren bereits vorüber. Es war der Spätsommer, der seinen feurigen Atem über das Land hauchte. Von der sengenden Hitze der vergangenen Tage und Wochen war nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Die kühle Brise, die über das Land fegte, deutete im Ansatz den kommenden Herbst an.
Zappelnd hing eine Gestalt am straffen Strick. Mit den Füßen trat sie vergeblich ins Leere, bevor die Bewegungen erlahmten. Im roten Licht der schräg einfallenden Sonne war es nicht mehr als eine Silhouette, die dort einen wilden Tanz aufzuführen schien. Doch schließlich hauchte sie ihr Leben aus und hing still. Der Galgen hatte ein weiteres Menschenleben gefordert.
Ein Mann marschierte mit großen Schritten auf die hölzerne Plattform, die sich wie eine große Bühne vom Marktplatz abhob. Behäbig ließ er seinen Blick über die Köpfe der zahlreichen Menschen schweifen, die am Fuße dieser Plattform standen und nach Blut lechzten. Öffentliche Hinrichtungen trafen den Geschmack der Bevölkerung. Man wollte die Verurteilten am Galgen hängen sehen. Sie sollten büßen für ihre Verbrechen und im Wind schaukeln, bis alles Leben aus ihnen gewichen war.
Der Mann rückte seinen Umhang zurecht, wobei sehr deutlich wurde, dass er dreckige, fette Arme hatte. Dann hob er eine Pergamentrolle vor seine Nase und holte tief Luft. »Vergewaltigung wirft man diesem Mann vor«, rief er mit gesenkter Stimme über den Platz. »Das schlimmste Verbrechen, für das es nur eine gerechte Strafe gibt.« Abwartend ließ er seinen Blick erneut über den Platz schweifen. Nach dieser kleinen Kunstpause fuhr er fort: »Für diese Tat erwartet ihn nichts Geringeres als der Galgen!«
Jubelschreie brandeten in der Menge auf. Sie rissen ihre geballten Fäuste in die Höhe, schrien ihre Wut heraus.
Der Angeklagte wurde auf die Tribüne geführt. Sein Oberkörper war nackt. Die Hände hatte man ihm hinter dem Rücken zusammengebunden, sodass er nicht in der Lage war, Widerstand zu leisten. Blankes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Getrocknete Tränen waren auf seinen Wangen zu erkennen. Doch die Männer, die ihn links und rechts flankierten, umklammerten seine Arme mit eisernem Griff. Er konnte nicht mehr fliehen. Sein Schicksal war besiegelt. Der Richter verlas den Namen des Mannes, schilderte noch einmal den Grund für diese Bestrafung. Außerdem stellte er die obligatorische Frage an das Volk, ob man es für nötig befand, Gnade walten zu lassen. Doch niemand rettete dem Mann das Leben. Wie eine Schar blutgieriger Wildkatzen starrten sie hinauf auf die Tribüne und warteten darauf, dass das grausame Schicksal seinen Lauf nahm.
Widerstandslos ließ sich der Mann bis zu dem hölzernen Schemel führen, über dem ein langer Strick baumelte. Die schwarz gekleideten Männer, die ihn auch zur Tribüne geführt hatten, halfen ihm hinauf. Schließlich st