2. Kapitel
Die französische Gruppe kam aus Colmar im Elsass. Da Charlotte dort schon einige Male Urlaub gemacht hatte, war der Kontakt schnell hergestellt. Sie begann mit der Führung an der St.-Marien-Kirche. Das Gotteshaus hatte einen spitzen, schlanken Turm im gotischen Stil und einen wunderbaren geschnitzten Altar. Angebaut war ein ehemaliges Nonnenkloster, welches mittlerweile als Heimatmuseum diente. Es gab für Fremde einiges zu sehen in Oberherzholz, aber im Vergleich zu Colmar war es doch eher von bescheidener Schönheit. Aber wahrscheinlich hatte die Gruppe nur die Zeit verkürzen wollen, denn nach der Führung stand ein Besuch im nahen Outletcenter an, und anschließend war die Besichtigung des Landesgestütes in Warendorf geplant. Die Gruppe bestand aus zwanzig Personen, fast alles Paare. Trotz der Nähe zur deutschen Grenze sprach kaum jemand von ihnen deutsch, und Charlotte konnte mit ihren guten französischen Sprachkenntnissen glänzen.
Ein Mann in der Gruppe fiel ihr auf. Er war so um die fünfzig Jahre alt, ging nachdenklich auf und ab und notierte sich immer wieder einiges in seinem Notizbuch. Während die Gruppe durch den Rosengarten ging und die verschiedenen Sorten bewunderte, die mit kleinen Schildchen versehen waren, blieb der Mann stehen und zog sein Smartphone aus der Tasche.
Charlotte blieb ebenfalls zurück. Der Mann telefonierte in perfektem Deutsch mit leicht bayrischem Tonfall. Charlotte erhaschte einen Blick auf seinen Block. Die Aufzeichnungen waren ebenfalls in Deutsch. Sie sprach ihn darauf an, und er erklärte, er sei aus München und habe sich der Gruppe hinzugesellt, um ein wenig über Oberherzholz zu erfahren. »Ich komme aus der Landwirtschaft und möchte mich hier ein wenig umsehen!«
»Soll ich Ihnen einen Bauernhof zeigen?«, fragte Charlotte. »Bei mir in der Nähe liegt der Eschterhof, ein Bio-Bauernhof mit Milchviehhaltung und Gemüseanbau. Sie haben dann gleich die Möglichkeit, im hofeigenen Laden einzukaufen.«
»Nein, danke«, antworte der Herr ziemlich abrupt. »Das ist nicht nötig, ich schaue mich selbst um.«
Im selben Moment kam eine Dame aus der Gruppe, um Charlotte zu einer Rosensorte zu befragen. Während der weiteren Besichtigung sonderte sich der Münchner ab, und eine Frau um die vierzig gesellte sich zu ihm.
Charlotte tat es mit einem Schulterzucken ab. Gegen Mittag war die Führung beendet, und die Gruppe fuhr zum Einkaufsbummel in das nahe gelegene Outletcenter. Da dort ein Restaurant angegliedert war, sollte dort auch das Mittagessen eingenommen werden. Charlotte war gerade in ihren Wagen gestiegen, als sie sah, dass der Münchner und seine Begleitung in einem Taxi davonfuhren.
Zu Hause wurde Charlotte von Ottokar empfangen, der schon einige Zeit auf sie gewartet hatte. »Wo warst du den ganzen Morgen? Wir wollten doch heute gemeinsam kochen«, fragte er mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.
»Oje, das hab ich ganz vergessen«, gestand Charlotte errötend und erklärte ihm, dass sie für Isabella eingesprungen war. »Diesmal habe ich das Trinkgeld gekriegt! Wir könnten davon essen gehen«, bot sie an.
Ottokar lachte. »Ich hab schon gekocht. Komm, wir essen zusammen. Nach der harten Arbeit hast du Ruhe verdient.« Charlotte huschte ins Haus, um sich etwas frisch zu machen, während Ottokar auf sie wartete. Als sie zurückkam und mit Ottokar hinübergehen wollte, erschien Isabella bei ihr an der Tür.
»Und wie war es?«, fragte sie, noch immer leichenblass.
»Isabella, du siehst richtig krank aus! Leg dich wieder hin!«, kommandierte Charlotte. »Es hat alles super geklappt!«
Isabella holte tief Luft. »Dann ist es ja gut. Wenn du nachher einkaufen fährst, könntest du mir Kamillentee mitbringen? Meiner is