1
Delaney
»Scharf links, dann eine weite Kurve nach rechts«, murmle ich, während ich mich mit eisernem Griff an das Lenkrad klammere und die einzige Fahranweisung wiederhole, die mir die Frau von der Autovermietung gegeben hat, nachdem ich in Dublin angekommen war.
Angespannt, mit vor Nervosität kribbelnden Fingern und einem dicken Kloß im Hals, versuche ich, daran zu denken, mich links zu halten, ohne die kleine Steinmauer und die Büsche mitzunehmen, die sich gefährlich nah an der Straße befinden.
Ich fahre jetzt schon seit zwei Stunden auf etwas, das meinem Navigationsgerät zufolge eine Landstraße sein soll. Von wegen. Sie ist kaum breit genug, dass zwei Wagen aneinander vorbeifahren können.
Ich verziehe das Gesicht, als mir mein Smartphone anzeigt, dass ich in zwei Komma zwei Kilometern an einem weiteren Kreisverkehr vorbeimuss.
Als ob das Fahren auf der falschen Straßenseite nicht schon schlimm genug wäre, müssen sie auch noch ein anderes System für Längenangaben haben und zwingen einen darüber hinaus ständig, durch Todeskreisel zu fahren.
Ich sollte überhaupt nicht hier sein. Nicht allein. Das hier hätte Maeves Reise sein sollen. Nicht meine.
Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr hatte sie jedes einzelne Detail geplant. Doch ihr Gesundheitszustand erlaubte es ihr dann nicht, diese Reise anzutreten.
Jetzt wird sie es niemals tun.
Mich überkommt eine Welle der Trauer, und ich muss die Tränen, die mir in die Augen schießen, wegblinzeln, damit meine Sicht nicht verschwimmt.
Es ist schlimm genug, die beste Freundin zu verlieren, aber es ist noch einmal ein ganzes Stück schlimmer, wenn sie gleichzeitig die eigene Schwester ist.
Um mich abzulenken, stelle ich das Radio an, doch anscheinend spielt jeder verdammte Sender dasselbe Lied.
»I see her face. Blurred by time. Arms outstretched, but never mine.« Die Stimme des eindeutig irischen Sängers ist tief und sexy, doch der Text ist herzzerreißend und spielt mit meinen ohnehin schon empfindlichen Gefühlen. »Let the Irish rains wash away yer tears. Let me kiss away yer pain …«
Meiner Kehle entringt sich ein leises, fast hysterisches Lachen. Wenn es nur so einfach wäre.
»Come to me, my love. I’m waiting on the shore. It’s safe in yer harbor, but that’s not what ships are for.«
Es ist sicher in deinem Hafen.
Ja klar.
In meiner Welt ist absolut nichts sicher. Weder der Job, für den ich mir den Hintern abgearbeitet habe, noch der sanfte, wortgewandte Kerl, den ich unvorsichtigerweise in mein Herz gelassen habe, und vor allem nicht die Prognose der Ärzte, dass sich meine Schwester wieder erholen würde.
Ich habe alle drei verloren.
Ein Schmerz folgte dem anderen.
Also habe ich den Koffer gepackt, den ersten Flug vom O’Hare International gebucht, meinem fremdgehenden Verlobten den Ring zurückgegeben und mich entschieden, endlich die eine Sache zu tun, um die mich meine Schwester vor ihrem Tod noch gebeten hat – jedes einzelne Abenteuer auf ihrer Wunschliste abzuhaken.
Ich hole das zusammengefaltete Blatt Papier aus meiner Tasche und presse es an meine Brust.
»Wenn etwas passieren sollte …« Sie hatte mir die Liste vor ihrer Operation in die Hand gedrückt. Sonst hatte sie den Zettel immer bei sich gehabt. All ihre Träume auf ein verdammtes Blatt linie