: Megan Goldin
: The Wrong Girl - Die perfekte Täuschung Thriller
: Piper Verlag
: 9783492991575
: 1
: CHF 8.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Julie West ist außer sich. Sie vermutet, dass ihr Mann Matt sie betrügt. Mit einer jungen Studentin, die seiner Ex-Frau Laura wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Laura, die unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Um auf andere Gedanken zu kommen, geht Julie joggen - und wird in einen merkwürdigen Unfall verwickelt. Doch Matt versichert ihr, dass es diesen Unfall nie gegeben hat. Julie sei beim Laufen ohnmächtig geworden und habe sich alles nur eingebildet. Zur gleichen Zeit wird in der Nähe eine Frauenleiche entdeckt. Alles deutet darauf hin, dass es sich um Laura Wests Leichnam handelt. Julie gerät unter Mordverdacht, doch sie kann sich an so vieles nicht mehr erinnern. Ist sie nicht das Opfer? Oder doch die Täterin?

Die Australierin Megan Goldin arbeitete zunächst als Auslandskorrespondentin für ABC und Reuters in Asien und im Nahen Osten, mit Schwerpunkt auf Berichterstattungen aus Kriegsgebieten. Nach der Geburt ihres dritten Sohnes kehrte sie in ihre Heimatstadt Melbourne zurück und begann, Spannungsromane zu schreiben. »The Escape Game - Wer wird überleben?« ist nach »The Wrong Girl - Die perfekte Täuschung« ihr zweiter packender Psychothriller.

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Julie

Nach dem Kalender haben wir schon Frühling. Doch der Winter mit seiner anhaltenden Kälte zögert noch. Es heißt, es wäre der kälteste Winter seit Jahren gewesen. Ganz ehrlich? Ich erinnere mich kaum daran. Die letzten Monate sind in einem dumpfen Pillendunst an mir vorübergezogen.

Ich wage nicht, darüber nachzudenken, was aus mir geworden wäre, wenn ich nicht in einem Schuhkarton ganz hinten im Schrank zufällig auf meine Joggingschuhe gestoßen wäre. Sie haben mich daran erinnert, dass in mir noch etwas anderes steckt, dass ich eine Überlebenskünstlerin bin. Ich habe sie angezogen und bin zum ersten Mal seit Langem wieder joggen gegangen. Danach war ich jeden Tag laufen.

Selbst heute Morgen habe ich mich aufgerafft, obwohl ich müde bin und es nieselt. Laufen ist die einzige Möglichkeit, um gegen das Grauen anzukommen, das mich quält, seit Matt und ich gestern Abend gestritten haben. Es war ein hässlicher Streit, der mir das Gefühl gab, unsere Ehe wäre in Gefahr. Als ich endlich einschlief, wurde ich von seltsamen, beunruhigenden Träumen überfallen, durchsetzt von peitschendem Wind und dem Prasseln des Regens auf den Schieferplatten unserer Einfahrt. Beim Aufwachen fühlte ich mich merkwürdig beraubt.

In dem Augenblick, als ich die Augen aufschlug, begann die morgendliche Routine. Es war hektisch wie immer. Alice hatte einen kleinen Tobsuchtsanfall, weil ihre Lieblingsfrühstücksflocken leer waren, und Matt machte ihr, um sie zu besänftigen, rasch Rührei mit Toast. Ich flocht ihre dunklen Haare, während sie aufgedreht vor dem Flurspiegel herumzappelte. Alice sollte einen Gegenstand mit in die Schule bringen und ein kurzes Referat darüber halten. Auf der Suche nach der Muschel, die sie dafür ausgewählt hatte, stellten wir zusammen das ganze Haus auf den Kopf. Trotz des Chaos war die Atmosphäre eisig. Matt und ich wechselten kein einziges Wort.

Als ich Alice endlich ins Auto verfrachtet hatte, um sie zur Schule zu fahren, kehrte der nächtliche Sturm zurück. Unablässig schlug der Regen gegen die Windschutzscheibe, und während ich an unserer örtlichen Ladenzeile mit ihren Cafés und Geschäften voller nutzlosem Schnickschnack vorbei die vertraute Strecke fuhr, kam es mir so vor, als verhöhnte er mich. Durch die Schlieren, die die Scheibenwischer auf ihrem Weg über die Scheibe hinterließen, sah ich den Spielzeugladen vorbeiziehen und dachte bei mir: Wenn die Makel meines Lebens doch auch so leicht verwischt werden könnten. Ich schaltete das Radio ein. Die Musik half nicht. Meine Gedanken wanderten unablässig zurück zu unserem nächtlichen Streit.

Es fing beim Abendessen an. Matt erklärte mir in demselben ausdruckslosen Tonfall, mit dem er mich auch bitten würde, ihm das Salz zu reichen, dass ich nicht zum Gedenkdinner für Laura eingeladen bin. Er versuchte, es mir schmackhaft zu machen, indem er es so darstellte, als täte er mir damit einen Gefallen. Es wäre sicher langweilig, dazusitzen und den einschläfernden Reden zuzuhören. Es würde ein sehr langer Abend werden, und meine Medikamente würden mich ohnehin müde machen. Und dann zog er die Alice-Karte. »Schatz«, sagte er, »jemand muss bei Alice bleiben. Mit der neuen Babysitterin fühlt sie sich noch nicht so richtig wohl.«

Ich konnte es nicht fassen. Ich kann’s noch immer nicht fassen. Hält er mich für so dumm, dass er glaubt, ich wüsste nicht, warum ich dort nicht erwünscht bin? Denn das weiß ich ganz genau. Matt kann wohl kaum den trauernden Witwer spielen, wenn ich neben ihm am Ehrentisch sitze