In Erinnerung an Herbert W. Franke
Hans Esselborn
Herbert W. Franke
Zum Gedenken an den Altmeister der Science Fiction
Herbert W. Franke, der Pionier der Computerkunst, kybernetischen Ästhetik, deutschsprachigen Science Fiction und Höhlenforschung, visionärer Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Kunst, ist am 16. Juli 2022 »zu den Sternen gegangen«, wie seine Frau schrieb. Seine Neugier galt dem Unbekannten, Geheimnisvollen, Wunderbaren, dem Zufall und der Ordnung des Kosmos, die er mit den Regeln der Physik und Mathematik und den Experimenten der Kunst und Literatur zu ergründen suchte. Sein literarisches Schaffen prägte das erste halbe Jahrhundert der neuen deutschen Science Fiction von 1960 an bis heute.[1] Es wird weiter bestehen und wir werden uns mithilfe der »Stiftung Herbert W. Franke« daran erinnern, die schon ein erstes Projekt,Tribute to Herbert W. Franke, veröffentlicht hat.
Meine Würdigung legt den Akzent auf seine Science-Fiction-Werke, ohne die anderen Facetten seines vielseitigen Schaffens, besonders seine innovative Computerkunst und kybernetische Ästhetik kontrastierend zu Max Bense, zu ignorieren. Neben 20 einschlägigen Romanen veröffentlichte er sieben Kurzgeschichtensammlungen, ein Dutzend Drehbücher für Hörspiele und unzählige theoretische Bemerkungen und Aufsätze zur Science Fiction, die einen wesentlichen Beitrag zur Bestimmung des Genres lieferten und in einem Sonderband der Werkausgabe veröffentlicht werden sollen. Nicht zu vergessen ist die vielfältige Mitarbeit an Multimediaarbeiten wie dem FernsehfilmDie Stimmen der Sylphiden 1980, dem VideoAstropoeticon 1994, dem HörtextDea Alba 1999 und den 20 Hörspielen, die zum Teil als Text vorliegen, zum anderen Teil in einem Sonderband der Werkausgabe soeben erschienen sind. Sie wurden in der Blütezeit der Gattung zwischen 1964 und 1999 gesendet und lieferten einen wesentlichen Beitrag zum deutschen Science-Fiction-Hörspiel[2]: die sechsStimmen aus dem All 1964/65,Zarathustra kehrt zurück 1969,Aktion im Niemandsland 1975,Papa Joe& Co 1976,Signale aus dem Dunkelfeld undIch bin der Präsident 1980 undKeine Spur von Leben … 1981,DerAuftrag undSonntagsfahrt 1984,Ferngelenkt 1986 undDie Rakete 1999.
Doch zuvor sind einige biografische Daten zu erwähnen, die Frankes »hard science fiction«, sein Engagement für Computerkunst, sein Interesse für virtuelle Welten, aber auch für Utopien und Dystopien der Diktatur wie der Konsumgesellschaft erklären können. Der am 14.5.1927 in Wien geborene österreichische Autor hat nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien Physik studiert und wurde dort mit einer Dissertation der theoretischen Physik über Elektronenoptik promoviert. Nach einer Tätigkeit in der Werbeabteilung von Siemens in Erlangen wurde er 1957 freiberuflicher Fachpublizist zu verschiedenen Gebieten der Technik und Naturwissenschaft, besonders zur künftigen Kommunikation, Weltraumfahrt und künstlichen Intelligenz. Seine beruflichen Kontakte ermöglichten ihm schon früh künstlerische Experimente mit den damals noch seltenen Computern, die ihn seit den Sechzigerjahren zu einem anerkannten Pionier der algorithmischen Kunst machten.[3]
Die Erfindung der Universalrechenmaschine und der Entwurf der Kybernetik als universelles Ordnungsprinzip durch Norbert Wiener werden zum verbindenden Glied zwischen seinen wissenschaftlichen Interessen und seinen multimedialen künstlerischen Tätigkeiten. Besonders zu erwähnen ist FrankesDas P-Prinzip,Naturgesetze im Rechnenden Raum, eine grundlegende kosmologische Theorie auf der Basis der Informatik und Kybernetik. Es handelt sich um den Entwurf eines Weltmodells, welches das Universum als Produkt eines Parallelrechners, das ist »ein System von elementaren Computern, worauf schon Konrad Zuse hingewiesen hat«, zu begreifen versucht.[4] »Unsere Welt verhält sich so, als sei sie unter bestimmten Zielsetzungen programmiert. Diese Zielsetzungen richten sich auf die Entstehung dynamischer und komplexer Systeme«.[5] Diese generieren Sinn und Ordnung und entsprechen somit auch der Le