: Mariana Leky
: Die Herrenausstatterin Roman
: DuMont Buchverlag
: 9783832185442
: 1
: CHF 7.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von der Autorin des Bestsellers 'Was man von hier aus sehen kann' Katja Wiesberg verschwimmt die Welt vor Augen. Ihr Mann ist fort, und sie ist ihren Job los. Katja ist allein. Da sitzt auf einmal ein älterer Herr auf dem Rand ihrer Badewanne und stellt sich als Dr. Blank vor. Es ist der Geist ihres ehemaligen Nachbarn. Und noch ein Fremder taucht auf: Nachts steht ein Feuerwehrmann vor der Tür, der behauptet, zu einem Brand gerufen worden zu sein - und nicht wieder geht. Mit entwaffnender Zutraulichkeit nistet er sich in Katjas Leben ein. Erst allmählich begreift sie, wie gut er ihr tut: Ein kleinkrimineller Feuerwehrmann, der Karatefilme liebt, ist gerade das Richtige, um sie zurück ins Leben zu holen. Eine abenteuerliche Dreiecksgeschichte nimmt ihren Lauf, zwischen einer aus dem Alltag gefallenen Frau, einem überaus selbstbewussten Liebhaber und einem lebensweisen Toten, den allerdings nur Katja sehen kann. Mariana Lekys Roman verführt in eine Welt, die komischer und trauriger ist als unsere - und dabei geisterhaft menschlich.

MARIANA LEKY studierte nach einer Buchhandelslehre Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Sie lebt in Berlin und Köln. Bei DuMont erschienen der Erzählband>Liebesperlen< (2001), die Romane>Erste Hilfe< (2004),>Die Herrenausstatterin< (2010) sowie>Bis der Arzt kommt< (2013). 2017 veröffentlichte sie den SPIEGEL-Bestsellerroman>Was man von hier aus sehen kann<, der in über zwanzig Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt wurde.

Bis später

Alles hätte gut und gern so weitergehen können, aber dann ist alles zerbrochen, was, wie Blank später sagte, ein sicheres Zeichen dafür ist, dass es eben nicht so habe weitergehen können, auch wenn ich das geglaubt hatte. Was man selber glaubt, ist, auch das sagte Blank später, manchmal unmaßgeblich in der Frage, ob etwas zerbrochen gehört oder nicht.

Morgens, wenn ich aufwachte, war Jakob längst wieder da oder gar nicht weg gewesen. Er lag neben mir in meinem Bett, je nach Jahreszeit unter einem Laken oder einer Decke. Jakob schlief wie ein Toter und brauchte anschließend lange, um richtig wach zu werden. Oft verschlief er und wachte erst auf, wenn die Sprechstundenhilfe anrief und sagte: »Sie müssten jetzt wirklich mal kommen, hier ist alles voller Schmerzpatienten.« Dann stieg Jakob schlaftrunken in seine Kleider, ging schlaftrunken los, kaufte unterwegs einen Kaffee zum Mitnehmen, er tat das ohne Worte, weil man ihn in der Kaffeebar kannte, er kam schlaftrunken in die Praxis und durchquerte schlaftrunken sein volles Wartezimmer. Seine Sprechstundenhilfe wusste, dass Jakob morgens dankbar war für jedes Wort, das er nicht sagen oder hören musste, deshalb sagte sie nichts, folgte ihm ins Behandlungszimmer, zog ihm dort den zerdrückten Kaffeepappbecher aus der Jackentasche, reichte ihm den frisch gewaschenen Kittel und wies Jakob, kurz bevor der erste Schmerzpatient hereinkam, wortlos auf den Schlaf in seinen Augenwinkeln hin. Es ist beunruhigend, von jemandem behandelt zu werden, der noch Schlaf in den Augen hat.

Jakob war Zahnarzt. Ich lernte ihn kennen, als meine Zähne schlecht waren, deshalb kannte ich mich mit Zahnärzten gut aus und wollte eigentlich keinen neuen mehr kennenlernen. Ich kannte mich mit den Wartezimmern aus, in denen hauptsächlich Leute sitzen, die aussehen, als kämen sie nur mal so zur Kontrolle. Ich kannte den Zahnarztbegrüßungshandschlag, ein kurzer fester Griff mit einer vom vielen Waschen farblosen und wachsweichen Hand. Ich kannte das ungeduldige Zahnarztnicken, wenn man dem Zahnarzt noch etwas sagen möchte, bevor man den Mund aufsperrt und nichts mehr sagen kann. Man fängt bereits im Türrahmen des Behandlungszimmers an zu reden, um auf dem kurzen Weg zwischen Tür und Behandlungsstuhl alles gesagt zu haben, man verhaspelt sich dabei in dem Versuch, zahnarztwunschgemäß schneller zu reden, rasant schildert man Ort und Stärke der Beschwerden und beteuert rasant, dass man wirklich jeden Abend mit Zahnseide und Zahnhölzchen, Interdentalbürstchen und Munddusche hantiert hat, weil man sich gut mit jemandem stellen will, der wahrscheinlich gleich dafür sorgt, dass es schmerzhaft wird. Leider vergisst man dabei immer, dass der Zahnarzt mit Beteuerungen nichts anfangen kann. Der Zahnarzt will, dass man noch rasanter schildert, die Beteuerungen am besten ganz auslässt und endlich den Mund aufsperrt.

Ich kannte den Satz, den Zahnärzte sagen, wenn der Mund endlich aufgesperrt ist: »Wir werden uns noch ein paar Mal wiedersehen müssen«, sagen sie, bevor sie anfangen zu behandeln. Ich kannte auch die anschließende Schweigsamkeit der Zahnärzte. Zahnärzten hat man nicht beigebracht, dass manche Dinge weniger schmerzhaft sind, wenn man erklärt bekommt, was warum und wie lange schmerzhaft sein wird. Ich kannte den leeren Blick der Zahnärzte, wenn sie mit ihren Bohrern hantieren, die sich immer anhören wie ein versehentlich angerufenes Faxgerät, nur viel lauter.

Als mein damaliger Zahnarzt im Urlaub war, ging ich zu seiner Vertretung. Die Vertretung war Jakob, der damals noch Dr. J. Wiesberg hieß. In seinem Wartezimmer saß niemand nur mal so zur Kontrolle.

Als ich Jakob zum ersten Mal sah, war er ausgeschlafen, mein Termin lag am frühen Nachmittag. Als er mir zur Begrüßung die Hand gab, lief ihm eine Träne über die Wan