7. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Diesen Advent werden die Mitarbeiter so schnell nicht vergessen, dachte Rainer, als er gegen 19 Uhr das Firmengelände verließ.
Begonnen hatte alles mit den Bäumen auf dem Vorplatz. Jeder Stamm und jeder Ast waren mit Lichterketten umwickelt worden – es sah großartig aus. Wenige Tage später folgten die Christbäume im Innenhof, und heute waren zwei Buden aufgestellt worden, in denen am 22. Punsch und Maroni angeboten werden sollten. In den Fensternischen des Bürohauses waren bereitsWeihnachtswichteleingezogen. Was Katrin sich bis zum Tag der Weihnachtsfeier sonst noch alles einfallen lassen würde?
Über die Kosten machte er sich allerdings auch keine Illusionen. Die Rechnung würde eine Lawine ausmachen. Aber gut, es war sozusagen sein Einstand. Hauptsache, es klappte.
Weine und andere Getränke waren bestellt, nur das Catering machte ihm immer noch ein wenig Kopfschmerzen. Diese Monika war ja ganz nett und der Kuchen, den sie ihnen angeboten hatte, wirklich gut gewesen, aber sie war doch nur eine ganz normale Hausfrau – wenn auch eine, die gern und gut kochte.
Dafür hatte er endlich einen genauen Überblick über die verwandtschaftlichen Verhältnisse in der Villa Waldesruh. Das Doppelhaus miteingerechnet lebten dort vier Familien, die irgendwie zusammengehörten – und irgendwie auch wieder nicht. Er fand das jedenfalls imponierend und wünschte, sein Verhältnis zu Claudia und Engelchen könnte ebenso freundschaftlich und entkrampft sein. Danach hatte es nach den bisherigen Telefonaten, Mails und dem kurzen Besuch in der Boutique allerdings nicht ausgesehen.
Claudia schwankte von jeher schon zwischen:Du kümmerst dich überhaupt nicht um unser Kind,und:Engelchen ist mein Kind, die geht dich überhaupt nichts an.Seine finanziellen Zuwendungen hatte sie bisher allerdings kommentarlos angenommen.
Er war schon gespannt, wie der heutige Abend verlaufen würde.
***
Claudia bewohnte gemeinsam mit ihrer Schwester Georgine, der Apothekerin, die Wohnung oberhalb der Apotheke. Georgine war geschieden und an Neuigkeiten stets interessiert. Rainer hoffte dennoch, dass sie genug Feingefühl besaß, sie heute alleinzulassen. Er würde allerdings nicht darauf wetten. Die Schwestern lebten in einer Art WG, immerhin gab es zwei Eingänge.
Das Treffen mit Claudia begann jedenfalls anders als erwartet. Sie öffnete ihm in einem ebenso bunten wie hauchdünnen Kleid, das mehr zeigte, als es verhüllte, und besser zu einer Strandparty gepasste hätte als zu einem grauen Novemberabend. Er überreichte ihr eine Schachtel Pralinen und fragte:
„Wo ist Emmi?“, während er sich seiner Jacke entledigte.
„Engelchen ist bei meiner Mutter.“
Ach, so hatte sie sich das gedacht. Nun, selbst wenn er in Stimmung gewesen wäre – was er nicht war – käme ein neuerlicher Flirt mit Claud