: Hans Werner Kettenbach
: Grand mit vieren
: Diogenes
: 9783257614183
: 1
: CHF 12.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Paris, Mitte der siebziger Jahre. Während der internationalen Anti-Terrorismus-Konferenz wird der Journalist Claus Delvos in seinem Hotel durch eine Bombe getötet. Warum mußte er sterben? Als Opfer einer Verwechslung? Was sind die Hintergründe der Tat? Je länger sein Kollege Peter Grewe der Sache nachgeht, desto tiefer gerät er in den Sumpf von Bonner Politmachenschaften. Und desto mehr verstrickt er sich in den Fängen des eigentlich schwachen Geschlechts... '

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ?Kölner Stadt-Anzeiger?. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (?Plärrer?), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.

Die Botschaft hatte einen kleinen Autobus gechartert. Er brachte die Journalisten vom Flugplatz Charles de Gaulle zum Hotel in der Rue du Faubourg St-Honoré. Der Minister fuhr mit Blaulicht voraus. Er war nicht mehr zu sehen, als der Kleinbus sich in die Stadtautobahn einfädelte.

Grewe saß auf der hinteren, durchgehenden Bank mit Delvos zusammen, den Koffer neben sich, die Schreibmaschine zwischen den Füßen. Er spürte die drei Flaschen Bier, die er sich auf dem kurzen Flug von Bonn nach Paris hatte bringen lassen. Er trank sonst selten am Vormittag. Seine Beine waren angenehm schwer, ein warmes Gefühl spreizte sich in seinem Bauch und drang abwärts.

Die Stadtautobahn, die sich auf mächtigen Stelzen durch die Außenbezirke fraß, mutete ihn fremd und zugleich vertraut an. Es konnte daran liegen, daß er schon seit geraumer Zeit die Städte verwechselte, in die es ihn in den vergangenen Jahren hineingeweht hatte, auf zwei, drei Tage, höchstens einmal eine Woche, je nachdem, wie lange der Staatsbesuch oder die Verhandlungen dauerten, über die er für seine Zeitung zu berichten hatte.

War es Montreal, dessen Dächer, verschnörkelte Fassaden, Reklameschilder, Hinterhöfe im Vorbeifahren so ähnlich ausgesehen hatten? Die Batterien von Schornsteinen. Das leuchtete auf wie ein farbenfrohes Mosaik. Irgendwo in dem zerfetzten grauen Novemberhimmel mußte die Sonne ein Loch gefunden haben.

Erst auf dem brodelnden Boulevard St-Denis, als sie sich unzweifelhaft in Paris befanden, konnte er sich wieder orientieren.

Er erinnerte sich an die kleine Seitenstraße, in der er vor zwanzig Jahren an einem lauen Sommerabend unschlüssig, in praller Erregung auf und ab gelaufen war. Lichter in der Dämmerung, matt schimmernde Haut, das strömende Verkehrsgeräusch vom nahen Boulevard, in das immer wieder Musik- und Gesprächsfetzen aus den Bars hineinfielen. Die provozierende Geruchsmischung aus Pisse und Parfum. Ein Windhauch auf der erhitzten Stirn.

Körner, Kleinschmidt und Felten, die weiter vorn im Bus saßen, waren bereits mächtig in Stimmung. Körner hatte auf dem Flug mindestens drei Whisky zu sich genommen, Kleinschmidt seinen üblichen Gin Tonic: halbe-halbe. Es sah so aus, als erinnerten auch sie sich an das Viertel.

Kleinschmidt schlug Felten auf die Schulter und rief: »Junge, laß dich doch hier für deine Sendung anrufen, die Mädchen haben doch Telefon!« Der Presseattaché der Botschaft, der ganz vorn neben dem Fahrer saß, drehte sich um und verbarg seinen Ekel hinter einem verständnisvollen Lächeln.

Delvos, der die ganze Zeit stumm, aber unverkennbar glücklich aus dem Fenster geblickt hatte, sah Grewe an. »Findest du das nicht auch zum Kotzen?«

»Nee. Warum denn?«

»Na ja. Kaum sind die hier angekommen …«

»Na und?« Grewe schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Du hast gut reden. Erst erzählst du mir, du hast die ganze Nacht herumgemacht, und