: Beat Sterchi
: Capricho Ein Sommer in meinem Garten
: Diogenes
: 9783257611748
: 1
: CHF 27.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Autor fährt wie jedes Jahr in sein einfaches Sommerhaus in einem verfallenden spanischen Dorf, dem letzten am Ende der Landstraße. Die Geschichte genau dieses Dorfes will er niederschreiben, doch fehlen ihm die Worte. Stattdessen beginnt er, seinen ?Huerto?, den Garten, zu bestellen, und kommt dabei mit den Nachbarn samt deren Geschichten und Tipps, vor allem aber mit sich selbst und der Natur ins Gespräch.

Beat Sterchi, 1949 in Bern geboren, ging 1970 nach Kanada und studierte Anglistik. Danach war er Sprachlehrer in Tegucigalpa (Honduras) und Montreal und betrieb weitere Studien in Kanada. Er verfasste neben Theaterstücken, Reportagen und Kolumnen auch Reiseberichte und experimentelle Texte auf Berndeutsch und stand mit Spoken-Word-Texten auf etlichen Bühnen. Heute lebt Beat Sterchi als freier Schriftsteller in Bern.

Samstagmorgens stellte ich den Korb mit den Saatkartoffeln von Marcos oben auf die Mauer, spannte mit zwei Holzpflöcken eine Schnur, nahm die Hacke von dem Ast des Apfelbaumes, wo ich sie am Abend davor aufgehängt hatte, und begann, langsam, aber stetig die erste, gerade Furche in die jetzt lockere, mit Schafmist gedüngte Erde quer durch den für die Aussaat vorgesehenen Acker zu ziehen.

Gemäss meinem Notizbuch war mir vorher auf dem Weg durch das sonst noch stille Dorf zumhuerto das Geschrei der Mauersegler aufgefallen. Auch wie sie sich nachher pfeifend zu immer neuen Sturmangriffen formierend, mit rauschendem Gefieder über die terrassierten Äcker hinunterstürzten. Tollkühn und ausgerichtet wie Fliegerstaffeln. Ich hatte auch festgehalten, dass in den ersten Sonnenstrahlen eine Katze von den schreiend ausschwärmenden Vögeln unbeeindruckt auf einer weißen Gartenmauer döste.

Und dass neben dem Kirchturm der Mond auf der Höhe der Uhr voll und rund am blauen Himmel stand.

Noch nicht einmal in der Mitte meiner dritten, schönen, geraden Kartoffelfurche angekommen, erschrak ich, weil Nachbar Joaquín unbemerkt aufgetaucht war und von oben herab sagte:

¡Hombre! Warum um Himmels willen hackst du so wütend drauf‌los?

Während es mir durch den Kopf ging, dass ich mich also bemühte, meinen Rhythmus zu verlangsamen und so vorzugehen, wie es sich gehört, dabei aber offensichtlich noch immer den Eindruck erweckte, ich würde hacken wie einer, der nichts begriffen hat, sagte ich: Weil heute der Mond wechselt und ich die Kartoffeln setzen will!

Aber nicht so!, sagte Joaquín. Solche langen Querfurchen anzulegen, mache keinen Sinn. So würde das Wasser beim Bewässern nicht mal bis in die Mitte fließen.

Er zog noch einmal an seiner Zigarette, ließ sie dann fallen, drückte sie mit dem Schuh in den Boden, hob den Stummel auf, steckte ihn in die Hosentasche und kam von dem Weg auf der Mauer über die kleine Rampe in denhuerto herunter. Wie selbstverständlich nahm er mir die Hacke aus den Händen, markierte damit eine Rinne der Mauer entlang, dann rechtwinklig dazu noch eine in der Richtung der Pappeln und sagte: Diese Gemüsegärten sind alle so angelegt, dass das Wasser immer Richtung Bachbett fließt, aber nur beschränkt zur Seite umgeleitet werden kann.

Hier, sagte er, das sind zwei Hauptwasserrinnen, nach diesen richtest du alles andere aus. Dann hast du beim Bewässern kein Problem. Auch dann nicht, wenn im Juli das Wasser knapp werden sollte.

Und die Kartoffeln setzt du so.

¡Así!, sagte er mit Nachdruck.

Anstatt meine Furchen weiter zu ziehen, machte er ein Beet, in welchem er erst eine schlangenförmige Rinne in die Erde hackte und dann abermals eine Querrinne anlegte.

Für die Saatkartoffeln, die du dort im Korb hast, brauchst du zweimal vier solche Beete. Hier vier und dann nochmals vier.

Siehst du?

Locker und immer von beiden Seiten die Erde anhäufeln. Ich mache das immer in zwei Arbeitsgängen,