: Robert Louis Stevenson
: Dr. Jekyll und Mr. Hyde
: Diogenes
: 9783257610420
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der erste Entwurf dieser unheimlichen Geschichte geht auf einen Traum Stevensons zurück. Der Arzt Dr. Jekyll ist sich von Jugend an seiner zwiespältigen Natur bewußt, versucht die dunkle Seite seines Charakters jedoch zu unterdrücken. Immer mehr ergreift der Gedanke Besitz von ihm, daß beide Veranlagungen in verschiedenen Körpern untergebracht werden könnten. Jekyll beginnt zu experimentieren ...

Robert Louis Stevenson wurde 1850 als Sohn eines Leuchtturmingenieurs in Edinburgh geboren, gab eine juristische Karriere zugunsten der literarischen Aktivität auf, heiratete die zehn Jahre ältere Amerikanerin Fanny Osbourne, reiste - auf der Suche nach einem Kurort für sein Lungenleiden - rastlos um die Welt: durch ganz Europa, Amerika und in die Südsee, wo er 1894 starb.


Mister Utterson, der Anwalt, war ein Mann mit einem charaktervollen Gesicht, das nie von einem Lächeln erhellt wurde; er war leidenschaftslos, unzugänglich, im Gespräch verlegen und jeder Gefühlsäußerung abhold, mager, lang, verstaubt und düster, und doch war er irgendwie liebenswert. Bei freundschaftlichen Zusammenkünften und wenn der Wein seinem Geschmack entsprach, strahlte etwas wie tiefe Menschlichkeit aus seinen Augen; etwas, das nie in seinem Gespräch zum Ausdruck kam, das sich aber nicht nur in diesen schweigenden Symbolen seines After-Dinner-Gesichtes zeigte, nein öfter noch und lauter aus seiner Lebensführung sprach. Er war hart mit sich selbst. War er allein, so trank er nur Gin, um seine Neigung für erlesene Weine abzutöten; und obgleich er das Theater leidenschaftlich liebte, hatte sein Fuß seit zwanzig Jahren nicht mehr die Schwelle eines Theaters überschritten. Andern gegenüber hatte er jedoch wiederholt seine Toleranz bewiesen. Mit einer fast an Neid grenzenden Bewunderung sprach er bisweilen über die energievolle Klugheit, die sich in ihren Missetaten zu erkennen gab; und war Not am Mann, war er eher geneigt zu helfen als zu verurteilen. »Ich verstehe Kains Ketzerei«, pflegte er in seiner etwas altmodisch gezierten Art zu sagen: »Ich lasse meinen Bruder auch auf seine eigene Fasson zum Teufel gehen.« Bei dieser Charakterveranlagung war es häufig sein Schicksal, der letzte achtbare Bekannte und der letzte Halt von Menschen zu sein, die sich auf abschüssiger Bahn bewegten. Und solange sie sein Sprechzimmer aufsuchten, ließ er ihnen gegenüber auch nie den Schatten einer Veränderung in seinem Verhalten erkennen. Das kostete Mr. Utterson sicherlich keine große Überwindung; denn auch den Besten gegenüber war er stets zurückhaltend, und selbst seine Freundschaften schienen im allgemeinen auf einer ähnlichen Basis universellen Wohlwollens zu ruhen. Es ist das Kennzeichen eines bescheidenen Mannes, seinen Freundeskreis gewissermaßen fertig aus der Hand des Schicksals zu empfangen. So hielt es auch der Anwalt. Seine Freunde waren entweder Verwandte oder Leute, die er seit langem kannte. Gleich dem Efeu war auch seine Zuneigung ein zufälliges Gebilde der Zeit und war kein Beweis für die Würdigkeit des betreffenden Objekts, dem sie sich zuwandte. Auch das Band, das ihn an Mr. Richard Enfield, einen entfernten Verwandten und einen in der ganzen Stadt wohlbekannten Lebemann, fesselte, war nicht anders zu beurteilen. Gar manchem gab es eine Nuß zu knacken, was diese beiden aneinander finden mochten oder welche gemeinsamen Interessen sie wohl haben konnten. Leute, die die Herren auf ihren sonnt