: Patricia Highsmith
: Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt
: Diogenes
: 9783257602098
: 2
: CHF 10.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie man einen Thriller schreibt wer wüsste das besser als die Meisterin des subtilen Terrors und der Banalität des alltäglichen Schreckens? Patricia Highsmith lässt sich über die Schulter schauen, sie hat ein Werkstattbuch geschrieben für alle, die selbst schreiben oder nur wissen wollen, warum sie vom Werk dieser Autorin so gefesselt sind.

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ?Zwei Fremde im Zug?, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.

[13] 1. Der Keim einer Idee

Wenn man ein Buch schreibt, sollte es in erster Linie dem Autor gefallen. Hat man selbst während der Dauer des Schreibprozesses Spaß daran, dann kann und wird es Verlegern und Lesern später ebenso gehen.

Jede Story, die Anfang, Mitte und Schluss hat, hat Suspense – Spannung –, und eine Suspense-Story, ein Thriller, hat naturgemäß mehr davon. Ich werde in diesem Buch das Wort Suspense so benutzen, wie es in Amerika im Verlagswesen benutzt wird: Suspense-Storys sind Geschichten, in denen Gewalt und Gefahr drohen oder tatsächlich vorkommen. Ein weiteres Charakteristikum der Suspense-Storys ist ihr Unterhaltungswert, sie sind gewöhnlich abwechslungsreich und ein wenig trivial. Von einem Thriller erwartet man keine profunden Gedankengänge, keine langen Absätze, in denen nichts passiert. Aber das Schöne am Genre »Suspense« ist, dass es dem Autor überlassen bleibt, ob er profunde Gedanken äußern oder auch Passagen ohne »Action« belassen will, weil ja das Gerüst aus einer per se lebendigen Story besteht.Verbrechen und Strafe ist dafür ein glänzendes Beispiel. Überhaupt würde man vielleicht die meisten von Dostojewskijs Büchern als Suspense-Romane bezeichnen, wenn sie dieser Tage erstmals erschienen. Nur würde man verlangen, dass er sie kürze – wegen der Herstellungskosten.

[14] »Geschichten-Keime« entwickeln

Was ist der Keim einer Idee? Für einen Schriftsteller kann das im Prinzip alles sein: Auf dem Gehsteig stürzt ein Kind, und sein Eis fällt zu Boden. Ein respektabel aussehender Mann steckt im Lebensmittelgeschäft heimlich, doch wie unter Zwang, eine Birne ein und geht, ohne zu bezahlen, weg. Es kann auch eine kurze Abfolge von Ereignissen sein, die einem ohne äußeren Anlass und sozusagen aus heiterem Himmel in den Sinn kommt. Von dieser Art sind die meisten meiner Ideenkeime. Der Keim für den Plot vonZweiFremde im Zug war zum Beispiel dies: »Zwei Menschen vereinbaren den Mord am Feind des jeweils anderen und sorgen so für ein perfektes Alibi.« Der Ideenkeim für ein anderes Buch,Der Stümper, war zuerst weniger vielversprechend, eher störrisch, was seine Entwicklung betraf, aber von einer solchen Hartnäckigkeit, dass er mir länger als ein Jahr nicht aus dem Kopf ging und mir keine Ruhe ließ, bis ich einen Weg fand, darüber zu schreiben. Er lautete: »Zwei Verbrechen ähneln sich auffallend, obwohl die Täter einander nicht kennen.«

Viele Schriftsteller würde diese Idee wahrscheinlich gar nicht interessieren. Es ist eine »Na und?«-Idee, sie braucht schmückendes Beiwerk und einige Komplikationen. In dem Roman, der dabei herauskam, ließ ich das erste Verbrechen von einem einigermaßen kaltblütigen Killer begehen, das zweite von einem, der den ersten – amateurhaft – nachahmen wollte, weil er glaubte, der erste Killer sei damit davongekommen. Und das wäre er auch, hätte nicht der zweite Mann den stümperhaften Versuch[15]&nb