: Asmus Finzen
: Das Sterben der anderen Sterbehilfe in der Diskussion
: BALANCE Buch + Medien Verlag
: 9783867397339
: 1
: CHF 11.60
:
: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 192
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Niemand spricht gerne über das Sterben - und wenn, dann ist fast immer das Sterben 'der anderen' gemeint. Asmus Finzen spricht in seinem Buch Klartext. Er hinterfragt und erklärt die Begrifflichkeiten. So unterscheidet er Hilfen zum Sterben und Hilfen beim Sterben und bezieht sie konkret auf die verschiedenen Sterbe-situationen - zu Hause, im Heim, im Krankenhaus. In jedem Fall werden Entscheidungen verlangt, von den Angehörigen wie von den zukünftigen Patienten. Der Angst vor dem Sterben der anderen und vor dem eigenen Tod kann man nur begegnen, wenn man weiß, was möglich ist (was rechtlich gilt) und was nicht. Empfehlenswert für alle, die sich mit dem eigenen Sterben auseinanderSetzen, sowie für alle Berufsgruppen, die mit diesen Fragen und Entscheidungen konfrontiert sind.

Asmus Finzen war Leitender Arzt an psychiatrischen Kliniken in Deutschland und der Schweiz. Er ist Autor zahlreicher Bücher, u. a. über Suizidprophylaxe.
Die Patientenverfügung (S. 147-148)

Patientenverfügungen sind ein Notbehelf. Sie regeln den Umgang von Kranken mit der Medizin für den Fall, dass sie dazu vorübergehend oder auf Dauer nicht in der Lage sind. Das kann bei akuten Erkrankungen oder nach Unfällen der Fall sein. In der Regel aber ist die Patientenverfügung ein Testament für den Fall des dauernden Verlustes der Urteils- und Geschäftsfähigkeit, sei es durch Bewusstseinsverlust oder Demenz.

Dadurch wird die Patientenverfügung zu einer Grundlage für die medizinischen Entscheidungen am Ende des Lebens; sie wird somit zu einer Verfügung, die das eigene Sterben mitgestalten soll. In der Patientenverfügung legen wir zwar auch fest, wie wir behandelt werden wollen, wenn wir durch Unfallfolgen oder Krankheit daran gehindert sind, unseren Willen zuäußern. Im Wesentlichen aber verfügen wir vorab, wie wir sterben wollen. Wir versuchen zu regeln, wie sich unsere Behandlung und Betreuung am Ende unseres Lebens gestalten soll. Wir verfügen, wie unsereÄrzte und unsere Angehörigen mit uns umgehen sollen, wenn es an unser eigenes Sterben geht. Und wir erwarten, dass diese Verfügungen respektiert und eingehalten werden, wenn es so weit ist.

Zweifel und Streit

Die Einhaltung solcher Verfügungen war bis vor Kurzem keineswegs selbstverständlich. Dafür gab es vor allem zwei Gründe. Zum einen hat eine solche Verfügung psychologisch nicht die gleiche Verbindlichkeit wie die Ad-hoc-Entscheidung eines bewusstseinsklaren, voll geschäftsfähigen Kranken, mit dem sich die behandelnden und verantwortlichenÄrzteüber die Tragweite und die Konsequenzen der Entscheidungen auseinandersetzen können.

Zum anderen sind Patientenverfügungen, die ohne fachliche Beratung erstellt wurden, nicht selten unklar verfasst, sodass Zweifel aufkommen können, ob der Kranke im Bewusstsein seiner Situation und des aktuellen Standes der Medizin auch so entschieden hätte. Das gilt vor allem, wenn die Verfügung Jahre zuvor getroffen wurde. Schließlich können Probleme auftreten, wenn die Verfügung Regelungen enthält, die sich im Graubereich bewegen zwischen der Hilfe beim Sterben durch Symptomlinderung und Beendigung zwecklos gewordener therapeutischer Maßnahmen und der Hilfe zum Sterben durch sogenannte aktive Sterbehilfe, durch gezielte vorzeitige Lebensbeendigung, die bekanntlich verboten ist.

Was für einen selbst, aber auch für die Angehörigen und die Behandelnden Klarheit schaffen soll, wenn das Leben zu Ende geht, wird deshalb immer wieder zum Anlass für Zwietracht und für juristische Auseinandersetzungen. Es gibt mittlerweile eine umfangreiche Rechtsprechung dazu, die zu einer gewissen Ratlosigkeit Anlass gibt. Auch der deutsche Bundesgerichtshof hat sich mehrfach geäußert, ohne dass daraus eindeutige Regeln abzuleiten wären. Schließlich hat der BGH im Jahr 2003 dem Gesetzgeber mittelbar aufgegeben, die Verfahrensregeln bei der Umsetzung von Patientenverfügungen klarzustellen (Putz/Steldinger 2009). Das hat der deutsche Bundestag im Juni 2009 getan. Allerdings lässt vor allem der zweite Absatz des neuen§ 1901 a BGB erwaten, dass die Gerichte auch künftig genügend zu tun haben werden.
Inhalt6
Vorwort10
Sterbehilfe: Gebot der Menschlichkeit oder Anmaßung einer neuen Euthanasie?13
Die neue Euthanasie14
Gesellschaftliche Akzeptanz von Sterbehilfe15
Aufgekündigter Grundkonsens17
Die Wirklichkeit hinter den Begriffen21
Untaugliche Begriffe und Benennungen25
Warum jetzt?32
Argumentationen prüfen!36
Vom Töten kranker Menschen40
Gnade und Barmherzigkeit?41
Die Euthanasiepraxis in den Niederlanden46
Versuch einer Standortbestimmung52
Suizidhilfe, Hilfe beim Suizid, Beihilfe zum Suizid58
Alles, was Recht ist59
Organisierte Suizidhilfe in der Schweiz64
Oregon, USA77
Der Diskurs in Deutschland81
Hilfen beim Sterben 1: Trost, Zuwendung, Pflege88
Der Sekundentod: Sterben ganz ohne Hilfe89
Der einsame Tod90
Sterben als langsamer Prozess91
Sterben in Würde93
Der Ruf nach palliativen Maßnahmen95
Hilfen beim Sterben 2: Schmerzbehandlung und Sedierung98
Schmerzbekämpfung, ein Gebot der Menschlichkeit98
Wirkung der Opiate und anderer Schmerzmittel101
Diffamierung dieser Hilfeform104
Missbrauch104
Terminale Sedierung106
Hilfen beim Sterben 3: Unterlassen und Abbruch der Therapie108
Behandlung und Sterben zu Hause110
Überleben und Sterben in der Klinik111
Behandlung und Sterben im Heim113
Die Intensivstation: Chancen, Unwissen und Vorurteile116
Entscheidungen am Ende des Lebens119
Vom Abschalten122
Wo stehen wir, was können wir? Hoffnungen und Befürchtungen127
Mediziner im Zielkonflikt128
Kranke im Zielkonflikt130
Hilfe beim Sterben: Symptomlinderung und Sedierung132
Sterbehilfe durch Unterlassen und Abbruch134
»Protrahiertes Sterben«: Die quälende Verzögerung des unausweichlichen Todes136
Die Patientenverfügung148
Zweifel und Streit148
Gesetzesinitiativen150
Eine Art Kulturkampf154
Ist die Patientenverfügung nutzlos?157
Patientenverfügung und Sterbehilfe160
Eine Patientenverfügung verfassen. Hinweise und Probleme166
Was kann man verfügen und was nicht?166
Das Gesetz zur Regelung der Patientenverfügung168
Praktische Hinweise173
Literatur186
Patientenverfügungen im Internet192