Kapitel 1
Laura McCarthy zog die Hintertür zu, trat vorsichtig über den schlafenden Hund, der zufrieden auf den Kies sabberte, und durchquerte mit forschen Schritten den Garten. Das Tablett auf einem Arm balancierend, öffnete sie das Gartentürchen, schlüpfte geschickt hindurch und ging in das Wäldchen. Sie erreichte die Senke, durch die der kleine Bach floss, der um diese Jahreszeit aber – es war Spätsommer – fast kein Wasser mehr führte.
Mit zwei langen Schritten überquerte sie den Graben, über den ihr Mann Matt letztes Jahr Bretter gelegt hatte. Bald würde das regnerische Wetter einsetzen und die Bretter schlüpfrig und gefährlich machen. Letztes Jahr wäre sie mehrmals beinahe ausgerutscht, und einmal war ihr das Tablett entglitten und ins Wasser gefallen – ein Fest für die Bachbewohner. Sie erreichte die andere Seite, die feuchte Erde blieb zäh an ihren Schuhsohlen kleben, und sie trat aus dem Wäldchen auf die Lichtung hinaus, die von der Abendsonne in ein weiches, pollenglitzerndes Licht getaucht wurde. Als sie die Abdeckhaube auf dem Teller zurechtrückte, entwich ein fruchtiger Duft nach Tomaten. Sie beschleunigte ihre Schritte.
Das alte Haus war nicht immer so verfallen gewesen, hatte so grimmig, fast abweisend gewirkt. Matts Vater hatte ihm Geschichten von Jagdgesellschaften erzählt, von lauen Sommerabenden mit Musik unter weißen Markisen. Von eleganten Paaren, die auf der niedrigen Gartenmauer saßen und Punsch tranken. Matt konnte sich noch an eine Zeit erinnern, in der prächtige Pferde in den Ställen gehalten wurden, manche davon ausschließlich für Wochenendbesucher. Am Ufer des Sees gab es ein Bootshaus für jene, die gerne ruderten. Früher hatte er ihr diese Geschichten oft erzählt, vielleicht auch, um seine im Vergleich zu ihr ziemlich bescheidene Herkunft wettzumachen; gleichsam als Vorgeschmack auf ihre gemeinsame Zukunft, die dem Leben, das sie aufgegeben hatte, ebenbürtig sein würde.
Sie liebte diese Geschichten und wusste ganz genau, wie das Haus aussehen würde, wenn man ihr freie Hand ließe. Es gab kein Zimmer, das sie nicht in ihrer Phantasie bereits eingerichtet hatte: Vorhänge, Teppiche, Möbel.
Vor der Seitentür blieb sie stehen und tastete intuitiv in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel. Früher war das Haus immer abgesperrt gewesen, doch das war schon lange nicht mehr nötig. Jeder in der Gegend wusste, dass es dort nichts mehr zu holen gab. Das Haus verfiel, schien in sich zusammenzusinken, der Anstrich blätterte ab wie Schuppen. Im Erdgeschoss waren mehrere Fensterscheiben zerbrochen und mit Brettern vernagelt worden.
«Ich bin es, Mr. Pottisworth … Laura.»
Sie wartete, bis von oben ein zustimmendes Grunzen erklang. Es war ratsam, den Alten zu warnen, bevor man eintrat. Laura hatte es einmal vergessen, und da hatte er mit einer Schrotflinte auf sie geschossen – die Kugeln steckten noch immer im Türrahmen. Aber zum Glück war der Alte schon immer ein mieser Schütze gewesen, wie Matt damals bemerkt hatte.
«Ich bringe Ihnen Ihr Abendessen.»
Ein weiteres Grunzen, und Laura konnte es wagen, die knarrende Holztreppe zu erklimmen.
Sie war gut in Form und daher kaum außer Atem, als sie über die steilen Treppen den zweiten Stock erreicht hatte. Denno