EXORDIUM
Königreich England, London, März 1629
Vergeben Sie den Lärm und den Dreck. Aber wenn man es gemütlich haben will, muss es manchmal erst ungemütlich werden.«
Beim Klang der Stimme, die durch den hohen, vertäfelten Raum hallte, wandte sich Melchior Pieck zum Eingang um, durch den er vor einer halben Stunde geführt worden war. Sein Gastgeber hatte ihn warten lassen. Pünktlichkeit war etwas für Könige, nicht für Lords.
»Ich habe es nicht bemerkt, Eure Lordschaft.« Auch wenn er aus Hannover stammte, sprach Melchior das Englisch nur leidlich. »Eure Dienerschaft weiß den Staub selbst in den hintersten Winkeln zu finden und auszumerzen.«
»So wie Sie Ihre Beute finden, nicht wahr? Sei sie Mensch oder Tier.« Henry Rich, der Erste Earl of Holland und Baron von Kensington, betrat das riesige Zimmer.
An der Stuckdecke prangten verschiedene Szenen, die im Wettstreit mit den Bildern an der Wand standen. Gegen die dunklen Farben kämpften etliche Petroleumlampen und Kerzen an, das sterbende Abendlicht, das durch die torgleichen Fenster fiel, genügte nicht.
»Deswegen sind Sie hier, bester Pieck.« Die lange, taillierte Brokatjacke reichte über die Hüften, die gepufften Ärmel und Hosenbeine verliehen dem schlanken Mann mehr Fülle. Das Haar lag in Locken, in seinem Gesicht stand ein modischer Schnurr- sowie ein Kinnbart. »Man brachte Ihnen nichts zu trinken?«
Melchior, knapp über fünfzig, mit gestutztem grausilbernem Bart und kurzen Haaren, deutete eine Verbeugung an, die trotz seiner Beleibtheit fließend ausfiel. »Ich lehnte ab, Eure Lordschaft. Meine Kehle ist Euren feinen Wein nicht gewohnt.« In seinem bewusst einfach gehaltenen Gewand und den speckigen Lederstiefeln wirkte er wie das komplette Gegenteil zum Earl.
»Nicht zu bescheiden. Ich weiß, dass Sie ein Mann mit Wohlstand und Geschmack sind. Wer zu Graf Mansfelds Lieblingen gehörte, verdiente doch gut.« Rich deutete auf die beiden Sessel neben dem prasselnden Kamin. »Setzen Sie sich. Ich sehe, meine Botin hat Sie wohlbehalten zu mir gebracht.«
»Danke, Eure Lordschaft. Eine liebreizende Dame, in der Tat. Und die Kutsche war komfortabel.« Melchior nahm Platz und sortierte sein Waffengehänge, an dem ein breiter Säbel baumelte, die Radschlosspistole steckte in einem Futteral vor der Brust. »Ihr kanntet den Grafen?«
»Nein. Es genügte mir, von ihm und seinen Schlachten zu hören. Exzellenter Söldnerführer, kämpfte zuletzt bei Breda für die englische Krone. Aber nach Dessau und gegen Wallenstein ging’s bergab.«
»Der Schein trog«, erwiderte Melchior kühl. Er hatte es nicht nötig, sich angreifen und herabsetzen zu lassen. Innerlich addierte er fünfzig Gulden zum Preis. »Der Graf ersann einen neuen Plan.«
»Tat er das? Zu schade, dass ihn die Osmanen vergifteten. War er nicht just im Begriff, mit Ihnen nach Venedig zu reisen und neue Gelder für ein frisches Heer zu beschaffen?«
»Ich sah keine Türken in der Nähe, als er uns, Blut und Lungenstückchen hustend, sein Testament diktierte. Es war ein Blutsturz, Eure Lordschaft.«
»Wie bedauerlich. Weniger heroisch.«
»Wenn Eure Lordschaft wollen, dürft Ihr Euch vorstellen, dass ein Osmane dahintersteckte. Ich für meinen Teil bleibe bei einer Krankheit.« Melchior sah sich um. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit gefiel ihm nicht. Erinnerungen, die schmerzten wie die Narben an seinem Leib und im Gesicht. Er hatte seinen Anführer sehr gemocht und viel von ihm gelernt. »Eure Lordschaft haben einiges mit dem Holland House vor?«
»Oh, ja, gewiss! Dieser Ziegelbau ist mir zu unprätentiös. Die Zierereien aus Stuck und Stein reichen bei Weitem nicht aus für einen Mann meines Standes«, gestand Rich. »Nachdem meine Gemahlin das Gebäude erbte, habe ich sofort die Erweiterung um Seitenflügel und Arkaden angeordnet. Und dorische Säulen werden sich auch noch gut machen. Am Eingang. Was meinen Sie, Pieck?«
»Werden sie, Eure Lordschaft.«
Der Earl wies mit einem Wink die wartenden Diener an, Kleinigkeite