: Gitta Edelmann
: Canterbury Requiem Ein Krimi aus Kent
: Dryas Verlag
: 9783940258434
: 1
: CHF 5.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 264
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es regnet und ein kalter Wind fegt durch Canterburys Straßen, als Ella sich nach der Chorprobe von Aileen verabschiedet. Am nächsten Morgen ist Aileen tot. Zunächst sieht alles nach einem Unfall mit Fahrerflucht aus, doch dann stellt sich heraus, dass Aileen starke Beruhigungsmittel im Blut hatte. Entschlossen beginnt Ella, die erst kürzlich nach Canterbury gezogen ist, in Aileens Leben nachzuforschen. Dabei stößt sie auf Ungereimtheiten, häkelnde alte Damen, einen mürrischen Professor, einen pfiffigen Nachbarsjungen, einen ausgesprochen attraktiven jungen Mann im Pub und einen Detective Inspector, der ihr das Leben nicht unbedingt leichter macht ...

Spannung mit einem Augenzwinkern findet man nicht nur in Gitta Edelmanns zahlreichen Kurzkrimis und Kinderbüchern, sondern auch in ihrem neuen Kriminalroman 'Canterbury Requiem'. Derzeit lebt die Autorin in Bonn, von wo aus der Weg zu den Britischen Inseln nicht allzu weit ist. Gitta Edelmann ist Co-Autorin eines Schreibratgebers und leitet auch Seminare für kreatives Schreiben.

Kapitel 2

 

Ella warf einen Beutel English Breakfast Tea in einen Becher, goss kochendes Wasser darauf und ließ den Tee ziehen, während ihr Laptop hochfuhr. Ein Blick aus dem Fenster verriet noch nicht allzu vielüber das Wetter, da der winzige Rasenfleck hinter dem Haus von einer hohen Hecke umgeben war. So hatte man aus dem Küchenfenster leider keine Sicht auf den Himmel. Immerhin– es regnete nicht und ein graues Eichhörnchen sprang anmutigüber das Gras.

Ella fischte den runden Teebeutel aus der Tasse und gab etwas Milch hinein. Dann ging sie ins Wohnzimmer, setzte sich an den kleinen Esstisch undöffnete ihren Facebook-Account. Na ja, dieüblichen Meldungen, nichts, worauf sie reagieren musste. Sie wechselte zur KentOnline-Seite, um die Lokalnachrichten zu lesen: Ein Verkäufer hatte mit Hilfe eines Freundes aus dem Laden, in dem er angestellt war, Elektrogeräte im Wert von rund zehntausend Pfund gestohlen. Eine Fußgängerin war von einem Auto erfasst worden– der Fahrer hatte Fahrerflucht begangen und wurde nun gesucht. Eine Vierundachtzigjährige war von einem Handtaschenräuber geschubst worden und so unglücklich gestürzt, dass sie nun verletzt im Krankenhaus lag. Schönes schien auf den ersten Blick nicht passiert zu sein.

Vorsichtig trank Ella einen Schluck Tee, schloss den Browser undöffnete eine neue Datei in Papyrus Autor.„Canterbury Rose“, schrieb sie und:„Roman von Ella Martin“ Seitenwechsel. Sie nahm einen weiteren Schluck und starrte auf den Bildschirm. Dann begann sie zu schreiben:„Als Rose in Canterbury eintraf, lachte die Sonne vom Himmel und das perlende Geläute der Kathedrale schwebteüber der Stadt.“

Hm, so ganz klar war der Plot noch nicht. Aber irgendwie musste die Hauptfigur ja erst einmal an den Handlungsort kommen, und dann würde sich hoffentlich beim Schreiben ergeben, wie es nach dreihundert Seiten auf ein Happy End zulaufen konnte. Allzu genaue Planung lag Ella nicht, aber mit dem Wetter anzufangen war sicher passend. Tatsächlich schien es hier ohne eine Bemerkungüber das Wetter keine Unterhaltung zu geben, wobei sie jetzt, nach den ersten vierzehn Tagen, das Gefühl hatte, dass es dabei nicht wirklich ums Wetter ging. War es nicht eher ein höfliches Anzeigen, dass man freundlich und gesprächsbereit war?

Der Tee wärmte und ein bisschen wacher war sie nun auch. Dafür knurrte ihr Magen. Wieärgerlich, dass sie gestern nicht mehr daran gedacht hatte, wenigstens noch Toastbrot zu kaufen. Sicher gab es das in dem kleinen Shop oben auf dem Hügel. Aber wenn sie sowieso schon einkaufen musste, konnte sie ebenso gut gleich in die Innenstadt hinunterspazieren, dort irgendwo gemütlich frühstücken gehen und nach einem geeigneten Ort für Roses fiktiven Tea Room schauen. Danach würde sie bei Agatha im Heart of Gold vorbeischauen und sich für die Einladung zum Chor bedanken. Nicht nur das Singen hatte ihr viel Spaß gemacht, die Chorproben waren natürlich auch eine tolle Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.

Entschlossen klappte Ella den Laptop zu, trank ihren Tee aus und ging ins Bad.

 

„Bist du die Schriftstellerin?“, fragte eine helle Jungenstimme hinter ihr, als sie die Haustür abschloss.

Ella drehte sich um.„Ja, die bin ich. Mein Name ist Ella.“

„Ella?“ Der Junge in der dunkelblauen Schuluniform hatte den Kopf schief gelegt. Eine Strähne seiner braunen Haare stand vom Kopf ab und seine grünen Augen blickten Ella neugierig an.

Die nickte und lächelte.„Und wer bist du?“

„Ich bin George. George McDonald. Aber die Restaurants gehören nicht uns.“

„Dann bist du wohl mein Nachbar? Ich hab schon gehört, dass hier eine Familie McDonald wohnt. Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen.“

„Und warum sprichst du wie Onkel Bob? Mummy hat doch gesagt, du kommst aus Deutschland.“

Aha– ein schlaues Kerlchen mit gutem Gehör, dachte Ella.„Und Onkel Bob kommt aus Australien?“, fragte sie.

Der Junge nickte eifrig, er schien diesen Onkel Bob zu mögen.

„Ich habe drei Jahre lang in Australien gelebt“, erklärte Ella.

George strahlte.„Dann kann man ja richtig mit dir reden!“, platzte er heraus.

Ella lachte.„Ja, George, das kann man. Ich war zwar noch nie vorher in England, aber Englisch zu sprechen krieg ich hin.“

George nickte zufrieden.„Gehst du jetzt spazieren?“, fragte er.

„Nicht wirklich. Ich muss einkaufen.“ Ella deutete auf den Rucksack in ihrer Hand, der zum Einkaufen viel praktischer war als ein Handtäschchen.„Außerdem will ich mich noch ein bisschen in der Stadt umsehen.“

„Dann musst du in die Canterbury Tales gehen– das ist cool. Und es passt zu dir, wo du doch Geschichten schreibst, so wie dieser Mann im Mittelalter. Da kann man sich sogar verkleiden und es gibt auch extra Hörführungen für Kinder. Aber das brauchst du ja nicht.“ Er winkte großzügig ab.„Was für Geschichten schreibst du denn?“

„Liebesgeschichten“, gab Ella etwas verlegen Auskunft