: Michael Innes
: Ein Schuss im Schnee Kriminalroman
: DuMont Buchverlag
: 9783832160821
: Wohlige Weihnachtskrimis
: 1
: CHF 9.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Umgeben von mittelalterlichen Ruinen liegt in Yorkshire das atemberaubende Herrenhaus Belrive Priory. Weihnachten steht vor der Tür und der Schriftsteller Arthur Ferryman freut sich, zu dem verschneiten Familiensitz zurückzukehren. Jedoch muss er bei seiner Ankunft schockiert feststellen, dass seine Cousins und Cousinen einen neuen Zeitvertreib gefunden haben: das Pistolenschießen. Tatsächlich tut der exzentrischen Familie jede Ablenkung gut. Denn keiner ist dem anderen grün. Wenn nicht geschossen wird, vertreibt die Familie sich die Zeit mit dem Zitieren von Shakespeareversen oder mit kritischen Diskussionen über das neueste Werk von Arthurs Cousine Lucy Chigwidden, einer aufstrebenden Krimiautorin, die Arthur auf Schritt verfolgt. Als einer der Gäste erschossen im Arbeitszimmer aufgefunden wird, tritt Inspektor Appleby auf den Plan und hat inmitten der chaotischen Familie einige Mühen, herauszufinden, was sich auf Belrive Priory wirklich zugetragen hat.

MICHAEL INNES ist das Pseudonym von John Innes Mackintosh Stewart (1906-1994). Er war ein gefeierter schottischer Romanautor, Literaturwissenschaftler und Kritiker. Zu Lebzeiten veröffentlichte Innes fast fünfzig Kriminalromane und Kurzgeschichtensammlungen, von denen viele in DuMont's Kriminal-Bibliothek erschienen.>Ein Schuss im Schnee< liegt nun zum ersten Mal in deutscher Sprache vor.

2


Ich war sehr erstaunt, Wilfred zu sehen; einen weiteren Schock erlitt ich, als er sich mir zuwandte und mit etwas winkte, was eindeutig ein Revolver war. Das Taxi hielt an, und obwohl es das nur tat, weil ich an die Glasscheibe geklopft hatte, war es beinahe, als würde ich Opfer eines Überfalls. Wilfred öffnete die Tür, stieg ein und warf sorglos die Waffe auf den Sitz. »Die ist«, sagte ich, »hoffentlich nicht geladen.«

Mein Cousin lachte und ließ sich gleichzeitig so schwer fallen, dass ich Richtung Wagendach katapultiert wurde. »Mein lieber Arthur«, sagte er, »du bist mit dem Phänomen der Veronesischen Träne vertraut?«

»Ganz gewiss nicht.«

»Die Veronesische Träne ist ein zerbrechlicher Glastropfen, der unter bestimmten Voraussetzungen dem heftigen Schlag eines Hammers widersteht. Der Sicherungshebel an einem Gewehr oder Revolver funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Ein Stoß oder ein Ruck« − Wilfred schleuderte den Revolver auf den Wagenboden − »erhöht nur die Sicherheit, mit welcher der Mechanismus gesperrt ist.«

Durch seine Worte ein wenig beruhigt, musste ich feststellen, dass Wilfred Foxcroft sich nicht verändert hatte. Jedenfalls in seinen kleinen Gewohnheiten. Ich erinnerte mich an den Schlag gegen die Wirbelsäule, der einen auf die harte Schulbank niedersinken ließ. Aus seiner Schulzeit stammte auch die irritierende Eigenart, jedes Gespräch mit irgendeinem Bruchstück unnützen Wissens anzureichern; sein Verstand funktionierte wie ein umtriebiges, aber im Grunde einfallsloses Eichhörnchen, und sein Kopf war eine Rumpelkammer voller Venezianischer Tränen und ähnlichem Krempel. Manchmal dachte ich mir, dass sein Zerwürfnis mit Basil − dieses lang anhaltende, alles überlagernde Zerwürfnis, dessentwegen ich so überrascht war, ihn überhaupt in Belrive anzutreffen − ebenfalls auf diese Geistesverfassung zurückzuführen war. In seinen Unterhaltungen glich Wilfred einem Automaten: Man warf eine Münze ein, und heraus fiel ein trockener Keks − immer der gleiche trockene Keks. Basil dagegen hatte mehr von einem Comptometer: Man drückte die Tasten und konnte darauf vertrauen, dass die relevanten Daten berechnet wurden. Diese beiden Veranlagungen kamen sich dabei auf eine gewisse Weise so nah, dass die beiden sich gegenseitig gleichermaßen auf die Nerven gingen. Die daraus resultierende Gereiztheit, verstärkt noch durch den Zwang, die Gesellschaft des jeweils anderen zu ertragen, war, wie ich schon immer mutmaßte, verantwortlich für Basils und Wilfreds Entzweiung. Aber nachdem Wilfred nun wieder in die Priorei gefunden hatte, war es wohl angebracht, meine Freude darüber zum Ausdruck zu bringen. Was ich tat, so schlicht wie möglich. »Wilfred«, sagte ich, »es ist schön, dich wieder hier zu sehen.«

Wilfred stupste mit der Fußspitze gegen den Revolvergriff, bis der Lauf, seinem Ordnungssinn genügend, parallel zum Fahrersitz lag. »Der Vorschlag«, sagte er, »sich mit dem Alten ab- und sich hier einzufinden, war gut. Ein Ortswechsel zu dieser Jahreszeit ist nicht zu verachten. In den drei Wintermonaten ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Erkältung zu erkranken, in der Provinz um fast sieben Prozent geringer als in London.«

Ich sah ihn neugierig an. Die Statistik interessierte mich nicht, meine Aufmerksamkeit galt der vorangegangenen Wendung.Der Vorschlag, sich mit dem Alten ab- und sich hier einzufinden, war gut. Wilfred war des gehobenen Englisch vollkommen mächtig, der unbeholfene Satz war daher absichtlich missverständlich formuliert. War der Streit auf sein oder auf Basils Betreiben begraben worden? Unmöglich zu sagen.

»Eine große Familienfeier«, fuhr Wilfred fort. »Hubert und Geof