: Andreas Altmann
: Sucht nach Leben Geschichten von unterwegs
: DuMont Buchverlag
: 9783832185053
: 1
: CHF 7.20
:
: Reiseberichte, Reiseerzählungen
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Andreas Altmann ist Deutschlands bekanntester Reiseschriftsteller. Ihn treibt eine unstillbare Neugier, die Sucht nach Leben. Er geht weite Wege, um Neues zu entdecken: Geschichten und Menschen, die mit unserer gewöhnlichen Realität wenig gemein haben. So trifft er eine Geisha zum Dinner, spielt den Sünder bei einem amerikanischen Televangelisten ebenso wie »Gott« auf der Südseeinsel Tanna. Ein andermal lässt er sich als Sex-Schwächling bei indischen Quacksalbern kurieren, dann wieder als Zen-Schüler in einem Tempel in Kyoto auf den rechten Weg führen. Es ist ein Kosmos des Kuriosen, des Andersartigen, des Menschlichen, den Andreas Altmann in diesen>Geschichten von unterwegs< präsentiert. Es sind Geschichten, die sich einbrennen.

Andreas Altmann lebt als Schriftsteller in Paris. Er hat achtzehn Bücher veröffentlicht, darunter zahlreiche Bestseller. Bei DuMont erschienen:>Reise durch einen einsamen Kontinent< (DuMont Taschenbuch 2017),>Im Land der Regenbogenschlange< (DuMont Taschenbuch 2017),>Sucht nach Leben< (2009),>Im Land der Freien< (2010) und>Triffst du Buddha, töte ihn!< (2010). Andreas Altmann wurde u. a. mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis, dem Seume-Literaturpreis und dem Reisebuch-Preis ausgezeichnet. www.and

EROS UND SPIELE(S. 73-74)

AH, KAZUKI

Es gibt Worte, die klingen für immer geheimnisvoll.»Geisha« klingt berückend geheimnisvoll. Wann immer ich es einem Mann gegenüber erwähne, weiß ich, was er denkt. Er denkt:»Tut sie es oder tut sie es nicht?« Er wird mit diesem Rätsel im Kopf sterben, denn nur ein paar Tausend Männer leben augenblicklich auf dem Planeten, die je eine Geisha getroffen haben. Und die reden nicht. Wie die Damen, die scheu sind und exklusiv. Seit ich vor Ort war, gehöre ich zu den wenigen Eingeweihten.

Das ist natürlich grandiosübertrieben. Sagen wir, ich bin nun einer von jenen, die es um ein Haar hätten wissen können. Wer weder Japaner noch schwerstreich ist, muss sich anstrengen. Aber ich hatte Glück und eine zähe Neugier. Und fand irgendwann in einer Nebenstraße Tokios die achtzehnjährige Junko. Sie war keine Geisha und sie kannte auch keine. Aber sie wusste von jemandem, der vielleicht von jemandem gehört hatte, der bereits einer Geheimnisvollen begegnet war.»Hinter hundert Ecken wirst du ihr nah sein«, sagte sie kichernd und rätselhaft. Ich muss mich kurz fassen.

Müsste ich alle Irrwege durch das wunderbare Japan beschreiben und alle wunderbaren Japanerinnen, die hochprofessionell zu allem bereit waren, nur nicht zu den Künsten einer Geisha, der Leser würde nie bei der Lösung des fernöstlichen Puzzles ankommen. Wochen und mehr als hundert Ecken später, an einem Dienstagabend, war ich am Ziel. Schiebetürenöffneten sich und Kazuki stand vor mir. Und verbeugte sich vor dem Fremden. Der sich tiefer verbeugte. Tout comme il fallait: ihr Kimono mit dem Obi, der große Gürtel mit der großen Schlaufe, das weiß geschminkte Gesicht, die Perücke.

Und das Abendessen für einen Shogun, so verschwenderisch, so harmonisch zubereitet stand es im Hotelzimmer. Seitüber zweihundert Jahre gibt es Geishas,»Kunst-Personen«, von denen drei Fertigkeiten verlangt werden: unterhalten können, tanzen und ein Instrument spielen. Eben Frauen, die engagiert wurden, um das ii kimochi, das gute Gefühl, herzustellen. Die»wahren« Geishas hielten sich daran. Kam es tatsächlich zu einer intimen Beziehung, entstand daraus eine richtige Affäre, der Kunde wurde ihr offizieller Liebhaber, ihr Danna, ihr Gönner.

Der flinke One-Night-Stand fand nicht statt. Sagen wir, er war die Ausnahme. Wie wahr würde Kazuki sein? Wir saßen am Boden, vor mir der opulent gedeckte Lacktisch mit den achtzehn Schalen voller kleiner Wunder. Der heiße Sake würde Ruhe bringen. Ein leichter Anfang. Sie schenkte mir ein, ich ihr, so ist es Brauch. Bald redeten wir, Gedanken gingen hin und her und umgehend brach das Glück aus. Weil keine gackernde»Hostess« müde machte, sondern eine Frau mit Esprit von Japan und japanischen Gedanken erzählte.