EINLEITUNG
Auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Württembergischen Landeskirche und der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen besuchte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios vom 29.–31. Mai 2017 Stuttgart und Tübingen, wo er am 30. Mai mit der Ehrendoktorwürde der Universität ausgezeichnet wurde. Der vorliegende Band dokumentiert den Besuch des Patriarchen, das begleitende Symposium.
Unsere Dokumentation beginnt mit dem Schreiben der Orthodoxen Bischofskonferenz zum Reformationsjubiläum 2017 und der Antwort des Ratsvorsitzenden. Die Orthodoxe Bischofskonferenz hatte sich auf ihrer März-Sitzung 2017 im Vorfeld des Besuches des Ökumenischen Patriarchen mit dem Reformationsjubiläum beschäftigt. In ihrem Schreiben charakterisiert die Bischofskonferenz ihr Verständnis der orthodox-evangelischen Kirchenbeziehungen und verbindet dies mit einer kurzen Selbstbeschreibung der orthodoxen Diaspora in Deutschland. Der Ratsvorsitzende greift in seiner Antwort würdigend das orthodoxe Verständnis des Dialoges zwischen beiden Kirchen auf und geht zugleich auf den Beitrag der Orthodoxen Kirche zur Integration der Migrantinnen und Migranten aus den orthodox geprägten Ländern ein.
Die Dokumentation des eigentlichen Besuches des Ökumenischen Patriarchen setzt mit den Reden zum Gottesdienst und zum Empfang am 29. Mai in Stuttgart ein, wo der Ökumenische Patriarch mit den Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zusammentraf. Den besonderen liturgischen Rahmen der Gottesdienste während des Patriarchenbesuches beschreibt der serbische Erzdiakon Milutin Marić:
»Ende Mai dieses Jahres besuchte Patriarch Bartholomaios I. zum dritten Mal die Bundesrepublik als Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch. Hauptziel seiner Reise war das Bundesland Baden-Württemberg mit den Städten Stuttgart und Tübingen. Anders als bei den ersten beiden Reisen, die einen pastoralen Charakter hatten, feierte der Patriarch in Stuttgart und Tübingen orthodoxe Gottesdienste in evangelischen Kirchen und betonte damit den starken Ökumenischen Charakter seiner Reise. In diesem kurzen Bericht möchte ich genauer auf die gottesdienstlichen Abläufe dieser außergewöhnlichen zwei Gottesdienste eingehen. Das Patriarchat von Konstantinopel hält sich an eine strenge gottesdienstliche Ordnung (Typikon), die auch in einem »nichtorthodox gestalteten« Kirchenraum zu befolgen war. Archimandrit Dr. Athenagoras Ziliaskopoulos aus Frankfurt a. M. und meine Wenigkeit hatten die außerordentliche Ehre, dem Patriarchen von Konstantinopel mit zu zelebrieren. Seine Allheiligkeit, der Patriarch, wurde am Kircheneingang in den Mandias (ein rotes langes Gewand) gekleidet und nahm mit Bischofstab in der Hand seinen Platz im Bischofsstuhl ein, links neben dem Altartisch. Die Psalmen wurden vom Patriarchen persönlich gelesen, Hymnen wurden vom byzantinischen Chor auf Griechisch gesungen und die Fürbitten von den Klerikern auf Deutsch vorgetragen. Für die gottesdienstliche Ordnung war der mitgereiste Diakon des Patriarchen zuständig, der uns vor dem Vespergottesdienst in die Finessen der konstantinopolitanischen gottesdienstlichen Ordnung einweihte. Bei dem Beweihräuchern der Kirche konnte man viele bekannte Gesichter aus der Welt der wissenschaftlichen Theologie sowie der Ökumene erkennen. Der Vespergottesdienst dauerte mit Ansprache (in einem sehr guten Deutsch verlesen) gut eine Stunde im Gegensatz zum Gottesdienst in Tübingen, der ohne Ansprache gut zehn Minuten dauerte, da es sich um eine »Doxologie« handelte, die üblicherweise gefeiert wird, wenn ein Bischof (oder Patriarch) zum ersten Mal eine Kirche besucht. Der Patriarch war wieder in seinem Mandias gekleidet und hielt den Bischofstab in der Hand. Begleitet wurde er von einem Archimandriten und zwei Diakonen. Die Gottesdienste, wie auch der gesamte Besuch des Patriarchen zeigten eine geschwisterliche Atmosphäre zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Orthodoxen Kirche. Die Ansprachen sowie auch die freundlichen Gespräche bei den Empfängen zeigten eindeutig, dass wir uns gegenseitig kennen, was wahrscheinlich auch die Hauptbedingung für einen erfolgreichen innerchristlichen Dialog ist.«1
Am Tag nach dem Gottesdienst in Stuttgart wurde dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche in der Stiftskirche Tübingen die theologische Ehrendoktorwürde verliehen. Wie Dekan Michael Tilly erklärte, würdigte die Evangelisch-Theologische Fakultät mit dieser Auszeichnung im Jubiläumsjahr der Reformation »das herausragende und jahrzehntelange Engagement des Patriarchen und seine Verdienste für die Verständigung zwischen der orthodoxen und der evangelischen Kirche«. »Der vielfach geehrte Ökumenische Patriarch Bartholomaios ist eine zugleich mahnende und ermutigende Stimme christlicher Religion und Theologie in einem pluralen Europa«, stellte die Fakultät fest.
Der an die Auszeichnung anschließende Vortrag des Ökumenischen Patriarchen enthält die wohl positivste Bewertung der Reformation, die in den vergangenen einhundert Jahren aus dem Munde eines orthodoxen Patriarchen erfolgt ist. Seine Würdigung der Reformation verbindet Bartholomaios – ganz im Sinne des panorthodoxen Konzils von Kreta 2016 – mit einem klaren Bekenntnis zur Ökumene. Die