: Sabine Thiesler
: Bewusstlos Thriller
: Heyne
: 9783641088132
: 1
: CHF 8.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 528
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Er kam im Sommer. Völlig überraschend. Aber er war kein Mensch, er war ein Ungeheuer.
Als Raffael erwacht, sind sein Bett und seine Sachen voller Blut. Er gerät in Panik, denn ihm fehlt jegliche Erinnerung an die vergangene Nacht. Es gelingt ihm nicht herauszufinden, was passiert ist, aber wenn er getrunken hat, weiß er nicht mehr, was er tut. Mordet vielleicht, ohne es zu wissen.

Von seinen Eltern, die in der Toskana leben, fühlt er sich verraten und verlassen. Die beiden führen ein glückliches Leben und ahnen nicht, dass er in ihrer Nähe ist und sie längst im Visier hat ...



Sabine Thiesler, geboren und aufgewachsen in Berlin, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete einige Jahre als Schauspielerin im Fernsehen und auf der Bühne und schrieb außerdem erfolgreich Theaterstücke und zahlreiche Drehbücher fürs Fernsehen (u.a.Das Haus am Watt,Der Mörder und sein Kind,Stich ins Herz und mehrere Folgen für die Reihen Tatort und Polizeiruf 110). Ihr Debütroman »Der Kindersammler« war ein sensationeller Erfolg, und auch all ihre weiteren Thriller standen auf der Bestsellerliste.

1

Florenz, 15. Dezember 2011

»Er kam im Sommer. Völlig überraschend. Aber er war kein Mensch, er war ein Ungeheuer.«

»Inwiefern?«

Christine atmet tief durch und überlegt. »Das ist eine lange Geschichte.«

»Das macht nichts. Ich habe Zeit. Und nur deswegen bin ich nach Florenz gekommen. Um Ihre Geschichte zu hören.«

»Also gut.«

Dr. Manfred Corsini ist ein vom Gericht bestellter psychiatrischer Gutachter. Er lebt und arbeitet normalerweise in Bozen, hat einen italienischen Vater und eine deutsche Mutter und ist zweisprachig aufgewachsen. Christine kann sich zwar auf Italienisch ganz gut verständigen, aber für die anstehenden schwierigen Gespräche und für die Gerichtsverhandlung reichen ihre Sprachkenntnisse nicht aus.

»Erzählen Sie mir von Ihren Kindern, Ihrem Mann, Ihrem Leben in Deutschland und in Italien.«

Christine braucht lange, bis sie anfängt zu reden. Dann sagt sie leise: »Ich hatte die schönsten Kinder der Welt. Raffael und Svenja. Glauben Sie mir, sie waren einfach perfekt. Wir wohnten damals oben im Norden, in Nordfriesland, gleich hinterm Deich.« Sie lächelt. »Das war toll für die Kinder. Sie konnten endlos draußen toben und Fahrrad fahren. Wir hatten ein Haus in einem kleinen Ort, in Tetenbüll, das war wie Bullerbü. Bis zu diesem schrecklichen Tag hab ich da verdammt gern gewohnt. Kindergarten und Grundschule waren direkt im Ort, meine Mutter wohnte auch in der Nähe und passte oft auf die Zwillinge auf. Ich arbeitete als Lehrerin ungefähr fünfzehn Kilometer entfernt in Tönning, und Karl war Dozent an der Hamburger Uni. Da musste er zwar ziemlich viel hin- und herfahren, aber das hat ihn nicht gestört. Es war alles prima. Wirklich. Heute ist mir das klar, damals nicht so. Wie glücklich man war, merkt man immer erst hinterher.

Und Zwillinge sind ja ein Geschenk. Die beiden waren den ganzen Tag zusammen, haben miteinander gespielt und sogar eng umschlungen geschlafen. Einer konnte ohne den andern nicht sein. Es war unglaublich. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mal rumquengelten oder sich langweilten … nein, nie. Es war ja nie einer allein. Das war eine so starke Symbiose, das kann man sich gar nicht vorstellen.

Aber ich fand es großartig. Es tat einfach irrsinnig gut zu sehen, dass meine beiden Kleinen rund um die Uhr richtig vergnügt und zufrieden waren.«

Sie schluckt und braucht eine Pause von einigen Sekunden, dann redet sie weiter.

»Passiert ist es am 24. April 1992.«

»Wie alt waren die Zwillinge da?«

»Sieben. Sie