: Rut Sigg
: Vipassana Zur Klarsicht-Meditation in den Buddha-Tempel
: Books on Demand
: 9783756282746
: 1
: CHF 7.20
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wer Vipassana Meditation noch nicht kennt oder mehr darüber vernehmen möchte, vertieft sich am besten in diese erbauliche Lektüre von Rut Sigg. In einer einfachen, gut verständlichen, einfühlsamen und genauen Sprache, erklärt sie wesentliche Punkte wie man als gewöhnliche Person zum Meister in dieser Art von Meditation werden kann. Die Verfasserin ist viel gereist, hat allerhand Lebenserfahrung hinter sich, musste viel leiden, war enormen Gefühlsschwankungen ausgesetzt, hat aber auch Erfreuliches zu berichten. Sie zeigt an ihrem eigenen Beispiel, mit all den Höhen und Tiefen in ihrem vielseitigen Leben, wie durch Meditation und Yoga ein Durchbruch im Leben möglich ist und zu einem erfüllten Leben oder zur"Kunst des Lebens" führen kann. Diverse Gefühle z.B. von Angst, Begeisterung, Skepsis, Vertrauen werden angesprochen. Die Entwicklung von der Anfängerin in der Buddha-Nachfolge bis zur erfahrenen Meisterin wird aufgezeigt. Das"Eindringen in die Welt des Spirituellen" ist kein Schleck - Beharrlichkeit und viel Übung sind notwendig auf dieser Reise nach Innen. Die Kraft der Beharrlichkeit ist in jedem Menschen verborgen, schreibt Rut Sigg. Die Verfasserin erwähnt, dass Vipassana Meditation mit einem Stierkampf vergleichbar sei, wobei der Stier das eigene Ego ist und dass aus dem erfolgreichen Kampf innere Klarheit entspringt. Der Mensch muss also an sich selbst arbeiten. Es wird empfohlen, sich einen Meister (in Meditation erfahrene Person) als Berater zu suchen. Die Entscheidung, frei zu werden, muss jeder selbständig leisten. Die Basis der buddhistischen Philosophie liegt im gesunden Menschenverstand - es gibt keine Gebote und Verbote, sondern bloss Empfehlungen. Obwohl der Buddhismus keine Religion ist, sind ethische Grundsätze von Bedeutung (z.B. nicht töten, stehlen, lügen, kein sexueller Missbrauch, keine Rauschmittel..) Neben vielen anderen scheint mir der folgende Satz aus diesem Buch bedeutungsvoll (Zitat):"Leben wird unfassbar spannend und grenzenlos vielfältig, wenn der Mensch nicht mehr in es eingreift". Die Konzentration auf das Heben - Senken der Bauchdecke im Atem. Ohne Druck, ohne Wunsch oder Erwartung wird angestrebt. Zu Beginn ist das fast unmöglich. Emotionen laufen Amok, vertausendfachen sich, lassen keinen klaren Moment zu. Es braucht Zeit, Beharrlichkeit und Geduld mit sich selbst."Liebe zum Jetzt". Zu genau diesem inneren Tumult. Dann kann es sein, dass sich ein Augenblick von Stille einschleicht, unversehens.

Rut Sigg lebt in der Schweiz, im Oberaargau, in einem renovierten Bauernhaus im Grünen mit ihrem zweiten Mann, mit Katzen, Hunden und grossem Garten. Sie besuchte das Lehrerseminar. Anschliessend studierte sie Gesang und trat als Konzertsängerin auf. Das Yoga erarbeitete sie sich bei einem indischen Meister. Von ihm erhielt sie auch die Erlaubnis, es zu unterrichten. Ihre weiterführende Suche nach dem Woher und Wohin brachte sie in Kontakt mit spirituellen Lehrern in Europa, Asien und Übersee. Sie lernte das Drehen der Derwische, das Sitzen im Zen. Daraus entstand das erste Buch"Über die Brücke des Atems". Von ihres Vaters Seite stammt Rut Sigg von Fahrenden ab. Ihre Mutter kam aus einer erfolgreichen Kaufmannsdynastie. Integration als Stolperstein blieb deshalb ein Hauptthema in Rut Siggs Leben. Vor allem auch nach dem Selbstmord ihres Mannes. Das Buch"Wolfsblut - Zigeunerblut", das als"Mutmacher" auf Wunsch des Verehrten Abtes Phratep Kittimoli, des Wat Srinagarindrawararam, des Buddhistischen Zentrums in Gretzenbach, Solothurn, Schweiz, entstanden ist, vermittelt einen Einblick in diese Problematik und zeigt, welche Kraft Tragik und Schmerz entspringen kann.

1. Kapitel. Einstieg


Unter dem abgeschrägten Dach des Meditationsraums lagerte Stille. Nicht einmal die beiden Kerzenflammen rührten sich. Ihr Schein erweckte das goldene Antlitz des Buddhas auf dem kniehohen Altar zum Leben. Seine Augen standen offen. Er lächelte nicht wirklich. Die machtvolle Ausstrahlung, die von ihm ausging, entsprang vielmehr der Präsenz seiner Haltung.

Da ich eher an Buddhas mit geschlossenen Augen gewöhnt war, bereitete mir dieser Buddha Unbehagen. Ich fühlte mich von ihm beobachtet, schutzlos. In seiner Gegenwart fehlte mir die Empfindung von Geborgenheit, die mich üblicherweise an Buddhas anzog. Ich konnte mich nicht unwillkürlich in die Stille fallen lassen, die von diesem Buddha ausstrahlte. Die Stille entsprang nicht Entrücktheit. Der Blick durchdrang mein Sehnen nach emotionaler Preisgabe schonungslos. Er legte es in einem Mass bloss, das mir Angst einflösste. Emotionale Preisgabe war nicht, worum es ging. Ganz offensichtlich nicht. Ich wurde durch und durch geröntgt – und es hätte gnadenlos wirken können, wäre da nicht gleichzeitig diese Haltung bar jeden Urteils gewesen.

Je mehr ich die Scheu überwand, dem vor mir Thronenden ins Angesicht zu schauen, desto mehr strömte der Ausdruck von Güte. Von bedingungslosem Mitgefühl in mich hinein. Ich spürte meinen Körper in jeder Zelle. Ich spürte das Pulsieren. Das Vibrieren meines Lebendigseins in jeder Zelle. Das war nicht neu für mich. Doch dass es durch diese Präsenz geschah, machte es neu. Ich liess es zu. Und je stärker es wurde, desto langsamer und feiner floss mein Atem. Ausatem und Einatem vereinigten sich zu einem Strom. Ich war nicht da: niemand war mehr da, der atmete. Es geschah aus sich selbst. Atem geschah durch mich. Ich war das Instrument dafür. In mir dröhnte es wie in einem Hochleistungstransformer. Die Zeit stand still.

Als mich der Abt später fragte, ob mir der Buddha gefallen habe, teilte ich ihm mein anfängliches Befremden mit. Er kicherte sein zwitscherndes Thai-Lachen, das so ansteckend wirkt, und verlautete gedehnt: „Ja“. Sein Blick durchforschte meinen Blick. Ich hielt stand. Denn ich wollte gesehen werden. Mit jeder Faser meines Seins wollte ich gesehen werden. Ich erkannte den Meister im Blick des Abts. Denn einen solchen brauchte ich nun. Und ich war bereit, ihm vorbehaltlos zu vertrauen.

Nach einer Weile bemerkte der Abt: „Ich sehe, du hast schon viel in dir gearbeitet“. Worte, die einen Feuerstrom durch meinen Körper sandten, Tränen in meine Augen trieben.

Der Abt sass in etwa drei Metern Entfernung im Lotossitz auf einem schwarzen Ledersofa im Eingangsbereich des Mönchshauses. Ich selbst kauerte auf einem Sessel ihm gegenüber - als lautlos ein zweiter Mönch herbei schwebte und mich in gebrochenem Englisch fragte, ob ich Wasser, Tee oder Kaffe möchte. Verwirrt stotterte ich, ich bräuchte nichts von alledem. Doch der Mönch hakte geduldig nach. Und so entschied ich mich für Tee, dankbar für diesen Moment von Alltäglichkeit.

Ich hatte während Jahrzehnten mit Lehrern in verschiedenen Schulen gearbeitet. Es war mir wichtig, Schulen unterschiedlicher Richtungen, unterschiedlicher religiöser Hintergründe kennen zu lernen. Ich scheute mich vor Eingleisigkeit und der oft damit einhergehenden Abhängigkeit. Ich war auf der Suche nach dem, was allen Traditionen innewohnt, was allem Leben zugrunde liegt – jenseits dogmatischer Ansichten und Meinungen. Deshalb wollte ich die Essenz wenigstens der grossen Weltreligionen kennen lernen.

Zum Zeitpunkt meines ersten Besuchs beim Abt des Thaibuddhistischen Klosters in Gretzenbach in der Schweiz, hatte sich mein langjähriger Sufi-Meister aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Seine Schule und die in verschiedenen Ländern existierenden Gruppen bestanden zwar noch. Man arbeitete weiterhin miteinander. Doch mir genügte das nicht. Ich wollte direkt von der Quelle trinken. Also brauchte ich einen Lehrer, mit dem ich in unmittelbaren Kontakt treten konnte. Zudem wünschte ich mir kompetente Führung in Meditation.

Zu diesem Zweck war ich zu verschiedenen Klöstern, die Meditationsmöglichkeiten anboten