: S. T. Joshi
: H. P. Lovecraft ? Leben und Werk 2
: Golkonda Verlag
: 9783944720548
: 1
: CHF 23.00
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 750
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
H. P. Lovecraft ist, ohne Wenn und Aber, der bedeutendste Autor unheimlicher Phantastik des 20. Jahrhunderts. Im angloamerikanischen Raum ist er längst als Klassiker anerkannt, und auf Deutsch liegt sein Werk in verschiedenen Ausgaben und Übersetzungen vor. Sein Leben dagegen ist mehr als umstritten: Als 'Einsiedler von Providence' wurde er bezeichnet, als Rassist und Menschenfeind. Dem steht entgegen, dass er sich sein Leben lang als Amateurjournalist innerhalb eines großen Bekanntenkreis bewegte. Außerdem hat er Zehntausende von Briefen geschrieben, an Schriftstellerkollegen wie Robert E. Howard und Clark Ashton Smith und an 'Fans' wie den Psycho-Autor Robert Bloch und den späteren Lovecraft-Verleger August Derleth. Grundlage jeder ernsthaften Beschäftigung mit Lovecraft ist das Standardwerk I am Providence: The Life and Times of H. P. Lovecraft von S. T. Joshi, erstmals 1996 erschienen und, als definitive Ausgabe überarbeitet und erweitert, in zwei Bänden 2010. Diese materialreiche Biographie schildert Lovecrafts Werdegang und Werk mit einer Akribie, die ihresgleichen sucht. Mit der deutschen Übersetzung von Joshis Biographie werden erstmals auch zahlreiche längere Passagen aus Essays und Briefen Lovecrafts auf Deutsch zugänglich. Wer sich mit seinem Leben und Werk auseinandersetzen möchte, kommt an diesen beiden Bänden nicht vorbei.

Der Übersetzer Andreas Fliedner (* 1966) studierte Religionswissenschaft, Philosophie und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er übersetzt aus dem Französischen und Englischen, wobei ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf der politischen Philosophie und Ideengeschichte liegt

17. DAS WIEDERGEWONNENE PARADIES (1926)


Bereits in einem Brief an Arthur Harris von Ende Juli 1924 stellte Lovecraft fest: »Obwohl ich jetzt in New York bin, will ich eines Tages nach Providence zurückkehren. Denn die Stadt hat eine stille Würde, die ich nirgendwo anders gefunden habe, abgesehen von einigen Küstenstädten in Massachusetts.«1 Dies ist ein sehr frühes Zeugnis für Lovecrafts Wunsch heimzukehren, und ein Hinweis darauf, dass seine »Flitterwochen« mit New York kürzer waren, als man allgemein annimmt. Zu Lovecrafts Gunsten wollen wir davon ausgehen, dass eine solche Heimkehr auf die eine oder andere Weise auch Sonia miteinbezogen hätte. Doch Lovecrafts eigentliche Bemühungen, nach Providence zurückzukehren, begannen etwa im April 1925, als er an seine Tante Lillian schrieb:

Was Besuche anbetrifft … Ich könnte es nicht ertragen, Providence wiederzusehen, solange ich nicht für immer dort bleiben kann. Wenn ich wieder nach Hause komme, dann werde ich es mir dreimal überlegen, bevor ich auch nur einen Fuß nach Pawtucket oder East Providence setze, während der Gedanke, bei Hunt’s Mills die Grenze nach Massachusetts zu überschreiten, mir echtes Grauen einflößt! Aber ein flüchtiger Blick auf Providence würde mich in die Lage eines Schiffbrüchigen versetzen, der vom Sturm bis in Sichtweite seines Heimathafens gespült wird, nur um dann wieder hinaus in die grenzenlose Schwärze eines fremden Ozeans gerissen zu werden.2

Offensichtlich hatte Lillian vorgeschlagen, dass Lovecraft seiner Heimatstadt einen Besuch abstatten sollte, vielleicht um ihm aus der Mutlosigkeit und Depression herauszuhelfen, in die ihn Arbeitslosigkeit, bedrückende Wohnverhältnisse und der prekäre Zustand seiner Ehe gestürzt hatten. Lovecrafts Antwort ist bemerkenswert: Er schreibt nicht »falls«, sondern »wenn ich wieder nach Hause komme«, obwohl er wusste, dass