Kapitel 2
Theo
Das Drama anderer Leute zieht mich magisch an.
Aber das ist okay, weil ich den Menschen gern helfe, andernfalls wäre mein Studiengang wohl ein ziemlicher Griff ins Klo gewesen. Vor allem aber hat das Ganze den netten Nebeneffekt, dass ich mich nicht meinen eigenen Problemen widmen muss, solange meine Freundinnen und Freunde meinen Rat einfordern.
Im Prinzip ist es ganz einfach: Solange ich witzele, analysiere oder anderen mit Wort und Tat zur Seite stehe, ploppt niemals die Frage auf, wie es mir selbst geht. Das kommt mir recht gelegen. Denn die Antwort darauf höre ich nicht besonders gern.
Und die anderen haben auch etwas davon. Immerhin bin ich ein wirklich guter Zuhörer. Aufmerksam und nicht zu sehr involviert. Immer den professionellen Abstand bewahren, den ich später in meinem Job brauchen werde, um nicht selbst vollends den Verstand zu verlieren. Ich liebe es, menschliches Verhalten aus psychologischer Sicht zu betrachten und es zu zerlegen. Wenn ich neue Menschen treffe, habe ich sofort den Impuls, ihrem Charakter auf den Grund zu gehen. Das ist mein Ding.
Deswegen finde ich es halb so schlimm, in einem Diner mitten in Pixton zu sitzen, anstatt mit Quin weiter Richtung Old Saybrook zu fahren. Unser Plan war eigentlich ganz simpel: Wir drücken uns vor der Aufräumaktion nach der Party, indem wir zum Angeln fahren und ein paar Tage chillen. Nicht geplant war, dass ich völlig verkatert aufgewacht bin und auf dem Weg dringend ein gutes Frühstück brauchte. Noch weniger geplant war, dass wir dabei in einem Diner NamensPixton’s landen und dort auf Quins neue Freundin Abigail treffen. Wie es aussieht, wusste er weder, dass sie hier als Kellnerin arbeitet, noch, dass sie in Pixton beziehungsweise über dem Diner wohnt. Von dem kleinen Mädchen, das plötzlich aufgetaucht ist, mal ganz abgesehen. Es konnte also keiner ahnen, dass wir heute mitten in einer neuen FolgeQuin und Abigail – Das Drama des Jahres landen würden.
Ich bin allerdings noch viel zu betrunken von der gestrigen Party, um die volle Tragweite der Ereignisse zu kapieren.
Wie es aussieht, hat Abigail meinem Freund ein Kind verheimlicht, der Doc ist richtig angepisst, und das Happy End scheint sich zu vertagen. Im besten Fall.
Ich wünsche Quin wirklich nur das Beste, aber momentan steht seine Beziehung auf ziemlich wackligen Füßen, und so langsam gehen mir die klugen Ratschläge aus. Ich weiß nicht, was Abigail noch alles vor ihm verbirgt, was ihre Motive sind, und im Grunde geht mich all das auch nichts an. Aber ich bin mit niemandem so lange und so gut befreundet wie mit Quin, und ich will, dass er glücklich ist.
Neu an derQuin und Abigail-Serie, Staffel zwei, ist für mich, dass meine Finger zu schwitzen anfangen, sobald Abbys Freundin auf der Bildfläche erscheint. Mit ihr habe ich heute Morgen hier in Pixton, am gefühlten Ende der Welt, am allerwenigsten gerechnet. Vor nicht einmal zwei Stunden bin ich noch fest davon ausgegangen, dass sie in meinem Bett liegt. Vielleicht zucke ich deshalb derart zusammen, als sie durch den dicken Vorhang hinter dem Tresen des Diners schlüpft.
Scarlett Newton.
Die geheimnisvolle Freundin an Abigails Seite, die letzte Nacht weinend in meinem Zimmer saß und meine sonst so knallhart aufrechterhaltene Distanz wie selbstverständlich überwunden hat.
Bezaubernde Augen. Eine kleine, niedliche Stupsnase und Lippen, die zum Küssen gemacht sind. Sie ist atemberaubend schön.
Scarlett ist etwas Besonderes.
Ihre schwarzen langen Haare hat sie zu einem seitlichen Zopf geflochten, der ihr über die Schultern reicht und weit über ihren engen Strickpullover fällt. Die schwarzen Spuren, die ihre Tränen hinterlassen haben, sind verschwunden, ihre Augen und ihre Nase nicht mehr gerötet. Rein optisch hat sie wenig mit der Frau gemein, die noch vor wenigen Stunden völlig fertig auf dem Boden meines Zimmers gehockt hat. Aber ich meine, noch immer den Schmerz in ihrem Blick aufflackern zu sehen, den sie zu verbergen versucht. Das macht mich mit einem Schlag stocknüchtern und hellwach.
»Hi«, beeile ich mich, zu sagen, und richte mich auf meinem Barhocker kerzengerade auf, als sie vor mir steht.
Mitten in dieser seifenopertauglichen Szene zwischen Abby und Quin steht sie da. In einem Diner in Pixton, der a