: Sigrid Grabner
: Die Rebellin Königin Christine von Schweden
: EDITION digital
: 9783965216440
: 1
: CHF 7.20
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 388
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sehr, sehr umfangreich ist das Personenverzeichnis zu diesem Buch, es umfasst ganze elf Seiten und reicht von A wie Accoromboni, Vittoria und Albizzi, Kardinal über F wie Franz v. Assisi, [1181-1226] und G wie Galilei, Galileo [1564-1642] Gardie, Jakob de la bis zu Z wie Zewi, Sabbatai [1626?-1676] und Zucchi, Jesuit. Sie hatte eben in ihrem Leben mit vielen Leuten zu tun, diese königliche Rebellin. Aber was war eigentlich das Rebellische an dieser am 7. Dezemberjul. / 17. Dezember 1626greg. in Stockholm geborenen und am 19. April 1689 in Rom gestorbenen Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594-1632) und dessen Gemahlin Maria Eleonora von Brandenburg (1599-1655), die von 1632 bis 1654 selber schwedische Königin war. Und damit sind wir schon beim Thema: Denn Christine von Schweden traf zwei für ihre Zeitgenossen und Zeitgenossinnen eher unverständliche Entscheidungen, die entscheidende Änderungen im Leben dieser Frau bewirkten, die auf ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters, des bereits 1632, als sie erst fünf war, in der Schlacht bei Lützen gefallenen Vaters eine ausdrücklich 'männliche Erziehung' erhielt, wie ein Kronprinz ausgebildet und ab 1635 auf das Königsamt vorbereitet wurde. So lernte sie zum Beispiel reiten und jagen und - regieren. Im Alter von nur 28 Jahren dankte die erst am 20. Oktober 1650 offiziell gekrönte Monarchin überraschend ab. Zweite Überraschung war ihre Konversion. Am 16. Juni 1654 wurde auf dem Reichstag im Schloss Uppsala die Abdankungsurkunde verlesen und ihr Nachfolger bestimmt. Die Krone Schwedens überließ sie ihrem Cousin, dem neuen König Karl X. Gustav - auch ein berühmter Name. Über ihre Gründe zu konvertieren ist viel spekuliert worden. Politisch gesehen jedoch war der Übertritt der Tochter des protestantischen Helden des Dreißigjährigen Krieges zum Katholizismus ein großer Triumpf für die Gegenreformation. Für ihren großen historischen Roman hat Sigrid Grabner einen schönen literarischen Einstieg gefunden. Erzählt wird das Leben der Heldin aus Sicht von David Eriksson, königlicher Sekretär und enger Vertrauter. Die Handlung setzt ein, als kurz nach dem Tod der Königin in Rom auch der Kardinal stirbt. Mehr als ein Vierteljahrhundert waren die Königin und der Kardinal die geheimen Herrscher Roms gewesen. Erikson erzählt seine eigene Geschichte, vor allem aber die fesselnde Lebensgeschichte dieser ebenso faszinierenden wie widersprüchlichen Frau, die Goethe 'gleich geheimnisvoll für Weise wie für Toren' nannte.

Am 29.10.1942 in Tetschen-Bodenbach geboren, ab 1947 in Merseburg. Nach dem Abitur in Halle und einjährigem Praktikum in der Landwirtschaft studierte sie von 1962-1967 an der Berliner Humboldtuniversität Kulturwissenschaft und Indonesienkunde, 1972 Promotion. Seit 1972 freischaffende Schriftstellerin. Sie lebt in Potsdam, war mit dem Schriftsteller und KZ-Überlebenden Hasso Grabner verheiratet und hat zwei Kinder. 1992 Ehrengast der Villa Massimo 2000 Stipendiatin im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf
Einige Meilen vor Rom empfingen uns zwei Kardinäle mit stattlichem Gefolge und einer Kompanie Kürassiere. Ungeduldig ließ Christine die Begrüßungszeremonie über sich ergehen: Soldatenparade, Verbeugungen, Höflichkeitsfloskeln, Reden, Kommandos, erneute Verbeugungen ... Wie viel Zeit vertun die Herren doch mit solchen Nichtigkeiten! Die Königin flüsterte mir zu: 'Die Welt ist ein Theater, in dem jeder seine Rolle zu spielen hat.' 'Schon wahr', gab ich zurück, 'und ich bin Gott dankbar, dass ich nicht Ihre Rolle spielen muss.' Endlich die Milvische Brücke. Der Zug vermied die Innenstadt und nahm den kürzeren Weg durch die Porta Pertusa und die Vatikanischen Gärten. Da wir früher als vorgesehen Rom erreichten, hatte Alexander die Königin gebeten, ihre Ankunft vorerst geheimzuhalten. Doch Hunderte von Römern säumten die Straßen, auch im Vatikan drängten sich Gaffer auf den Treppen und Galerien. Lachend sagte Christine und so laut, dass jeder es hören konnte: 'Das also bedeutet in Rom, incognito anzukommen!' Noch am Abend dieses Tages hieß der Papst Christine willkommen. Ich fragte mich, wer sie das päpstliche Zeremoniell gelehrt hatte, als sie fehlerlos die vorgeschriebenen Kniefälle, Handkuss, Fußkuss, Verbeugungen absolvierte. Ein ungewohnter Anblick, die stolze Christine so demütig zu sehen. Aber sie erwies nicht dem Menschen Fabio Chigi diese Ehren, sondern dem seit Jahrhunderten geheiligten Amt des Oberhirten der Christenheit. Zeugen doch schwache, ungerechte, eitle, ja verbrecherische Männer auf dem Stuhl Petri ebenso wie die Heiligen unter ihnen von einer Idee, die den Himmel mit der Erde, Gott mit den Menschen verbindet. Im Zentrum der Spannung zwischen Gottesreich und Welt steht der Papst, Symbol des unsichtbaren Leibes einer geeinten Menschheit als Ebenbild Gottes. Einer solchen Idee konnte Christine, die sonst keinen Menschen über sich anerkannte, huldigen. Sie war so bewegt, dass sie bei der Begrüßungsrede ins Stocken geriet. Alexander half ihr mit freundlichen Worten, sich zu fassen. Das Gespräch erschöpfte sich im Austausch von Komplimenten. Christine pries die Lebendigkeit von Alexanders Dichtung über Münster und deklamierte: 'Heimat des Regens! So möchte ich, Münster, dich benennen ...' Alexander bewunderte ihre Kenntnis der italienischen Autoren. Als sie die Bitte vortrug, von nun an auch den Namen Alexandra tragen zu dürfen, war er vollends für die Königin gewonnen. Er ahnte freilich nicht, dass sie dabei an Alexander den Großen dachte. Niemandem außer mir schien aufzufallen, dass die Geschichte gerade einen Purzelbaum schlug. Der als Apostolischer Nuntius bei den Friedensverhandlungen in Münster der Königin von Schweden unterlegen war, trug nun die Tiara, während Christine ohne Krone vor ihm kniete. Doch wer ist schon Sieger, wer Besiegter? Unaufhaltsam dreht sich das Rad der Zeit. Wer heute im Licht steht, sinkt morgen ins Dunkel.