Eins
20. Juni 1995
Der Sommer dieses Jahres versprach heiß und trocken zu werden. Die Bauern blickten sorgenvoll in den Himmel, die Natur sehnte sich nach Regen, nur die Kinder waren voller Vorfreude. Dazu hatten sie auch allen Grund. Die letzten drei Schultage lagen vor ihnen, das bedeutete, die Zeugnisse waren geschrieben. Große Anstrengungen, die eine oder andere Note noch zu verbessern, waren also überflüssig. Hinzu kam, dass das Quecksilber im Thermometer schon morgens kurz davorstand, die 30er Marke zu knacken. Bei diesem Wetter hätte man den Tag ganz sicher mit viel angenehmeren Unternehmungen verbringen können als mit Lernen.
Sebastian und sein Freund, Andreas, sahen das jedenfalls so. Deshalb hatten sie auch schon gestern nach dem Freibadbesuch den Entschluss gefasst, es heute draufankommen zu lassen und sich den Schultag zu ersparen. Ins Freibad konnten sie freilich nicht, dort würde der Bademeister sie bestimmt fragen, wieso sie nicht in der Schule waren. Oder irgendjemand sah sie und die Eltern erfuhren davon. Dann doch lieber gleich an den Baggersee. Die Gefahr, von jemandem erkannt zu werden, war am Salbker See auch viel geringer als im Freibad Süd. Das lag viel zu nah an ihrem Viertel. Lemsdorf war in solchen Dingen genau das, was der Name schon sagte: ein Dorf. Den längeren Weg mussten sie halt hinnehmen, doch wozu hatten sie schließlich ihre Fahrräder.
Bevor sie sich in das kühle Nass werfen konnten, musste Sebastian aber noch eine Hürde überwinden, die nicht ohne war: sein