InhaltsverzeichnisIINichtraucher
Da war ein Schild, ein Zettelchen eher, das jemand auf der Schreibmaschine getippt und dann mit ungeschickten Händen ausgeschnitten und hinter eine kleine Plexiglasscheibe neben der Tür gefummelt hatte, darauf stand: Sigfrid Scheuer, Kuratorium Wall City Contemporary Arts 1980, also alles klar, der gute alte Sigi. Wiemer ging ohne anzuklopfen rein, Sigi war ein alter Kumpel, Wiemer und er hatten einst als Sozialarbeiter die Fixerstube »Drückeberger« gemanagt, bevor sie beide ins Kunstgeschäft gewechselt hatten, schon seltsam, wie synchron ihre Wege verlaufen waren, erst Einwegspritzen und Putzdienste verteilen und Notärzte herbeitelefonieren, dann Kunst, das Leben geht komische Wege, dachte Wiemer.
Sigi telefonierte gerade und winkte ihn freundlich herein. Wiemer schloss die Tür und setzte sich Sigi gegenüber auf einen gepolsterten Stuhl, der deutlich niedriger war als der von Sigi, Wiemer hatte lange Beine und saß auf dem Ding wie ein Affe auf dem Schleifstein, Affe auf dem Schleifstein, das hatte Britta immer gesagt, ach Britta!
»Okay, okay, okay – so this is …«, sagte Sigi und lauschte, »Alright, I can see that … Glad to hear it!«, sicher ist er froh, dachte Wiemer säuerlich, dass endlich mal einer mitkriegt, was für eine große internationale Nummer er geworden ist, »Whatever …«, sagte Sigi, »Whatever … Yes … Sure … Same to you … That’ll be wonderful … I tell him … Yes, take care, see you! Bye!«
Sigi legte auf. »Wiemer!«, rief er und zappelte dynamisch in seinem Bürostuhl herum, einem mit Rollen, höhenverstellbar, in dem kann er sich die Haare schneiden lassen, dachte Wiemer, so hoch wie der eingestellt ist. »Schön dich zu sehen. Tritt ein, bring Glück herein!«
»Aber ich bin doch schon drin!«
In der Fixerstube war Wiemer der Dienstältere gewesen, okay, er hatte nur ein Vierteljahr früher dort angefangen, aber Wiemer hatte alles draufgehabt und Sigi alles von ihm lernen müssen, die Regeln für dies und jenes und wo die Spritzen waren, die Pflaster, das Telefon, das waren die alten Zeiten, rief Wiemer sich zur Ordnung, schlimmer noch, dachte er, es waren die alten Zeitengewesen, Plusquamperfekt, dachte Wiemer, er hatte, bevor er auf die Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik gewechselt war, zwei Semester Germanistik an derFU studiert, von wo er auch Erwin Kächele noch kannte und wo er sich vor allem bei den Grammatikübungen nicht schlecht geschlagen hatte, auch das ist vorbei, dachte er, man darf nicht zurückblicken, nicht bei der Germanistik, nicht bei Britta und auch nicht bei Sigi! »Mensch Sigi«, sagte er, »nicht einfach, dich hier zu finden.«
»Ja, in der Fixerstube war’s einfacher«, sagte Sigi. Was sollte das nun wieder? Was fing der jetzt mit der Fixerstube an? Das war doch alles Vergangenheit!Vergangenheit!
»Ist die Wall City eigentlich immer noch beim Sozialsenator geführt oder jetzt doch endlich beim Kultursenator?«, ging Wiemer zum Gegenangriff über.
»Alsoich bin beim Kultursenator geführt«, sagte Sigi stolz, »mit Werkvertrag! Die Wall City weder noch. Die ist jetzt beim Wirtschaftssenator, Abteilung Fremdenverkehr und Tourismus. Die Kulturleute hatten kein Geld mehr, den Sozialleuten war das zu elitär, den Festspielen zu wenige große Namen dabei und jetzt habe ich das Geld aus